Sieben Jahre Haft für Berlusconi
Silvio Berlusconi hatte sich seit Tagen in seiner Villa Arcore bei Mailand verschanzt. Aus seinem Umfeld hieß es, dass der Cavaliere dem Urteil im Ruby-Prozess pessimistisch entgegenblickte. Zu Recht: Der frühere italienische Premier ist im Prozess um Sex mit minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauch schuldig gesprochen worden. Ein Mailänder Gericht verurteilte den 76-Jährigen am Montag in erster Instanz zu einer Haftstrafe von sieben Jahren und einem lebenslangen Verbot öffentlicher Ämter. Das Urteil wird aber erst in dritter Instanz rechtskräftig; bis dahin könnten noch Jahre vergehen.
„Staatsstreich“ Berlusconis Anwalt Nicolo Ghedini sprach von einem „Urteil fern jeglicher Logik“. Dass das Gericht eine höhere Strafe verhängt habe, als die Staatsanwaltschaft gefordert hatte, sei „absurd“. Parteikollegen des Ex-Premiers sahen gar einen „Staatsstreich“, um den TV-Unternehmer aus der Polit-Arena zu verbannen.
Von allen Verhandlungen scheut Berlusconi den „verhassten Ruby-Prozess“ am meisten. International hat er dadurch den größten Imageschaden erlitten – mehr als durch Anklagen wegen Korruption und Steuerbetrugs. Mit „Rubygate“ begann auch der Abstieg seiner Mitte-Rechtsregierung, die im November 2011 endete.
Wackelt Regierung?
Die Anspannung unter den Parlamentariern der Berlusconi Partei Pdl ist groß. Am Abend der Urteilsbekanntgabe sendete das familieneigene Mediaset-TV-Imperium eine Prozess-Doku. Dabei gaben Maurizio Gasparri und Daniela Santanché, zwei Hardliner unter den Pdl-Abgeordneten, dem Medientycoon Rückendeckung.
Offiziell heißt es, das Urteil hätte keinen Einfluss auf die Große Koalitionsregierung. „Seit 20 Jahren wird versucht, mich aus dem politischen Leben Italiens zu verbannen, doch das wird in keiner Weise mein politisches Engagement schwächen können“, versicherte Berlusconi letzte Woche. Er werde weiterhin loyal die Große Koalition von Premier Letta unterstützen. Auch Letta beteuerte, dass Berlusconis Prozesse die Stabilität der Regierung nicht gefährden würden. Letta ist zwingend auf die Unterstützung der Berlusconi-Partei Pdl angewiesen.
In Italien wundert sich über das für Demokratien unübliche Phänomen kaum noch jemand: Berlusconi verknüpft seit langem Gerichtsentscheidungen, die ihn als Privatmann und Unternehmer betreffen, mit der politischen Zukunft des Landes. „Er kann gar nicht aus der Politik ausscheiden, denn sonst landet er hinter Gittern“, sagt ein kritischer Beobachter vor dem Mailänder Gericht. Die Drohung Berlusconis, bei unpopulären Maßnahmen den „Stecker rauszuziehen“ und der Regierung das „Licht abzudrehen“, schwebt als ständige Gefahr über Lettas Kabinett. Laut Politologen dürfte der Ex-Premier jedoch auf bessere Umfrageergebnisse warten, ehe er sich an Neuwahlen wagt.
Erst im Mai wurde Berlusconi wegen Steuerbetrugs in einem Verfahren um seinen Konzern Mediaset in zweiter Instanz zu vier Jahren Haft und dem Ausschluss aus öffentlichen Ämtern verurteilt.