Politik/Ausland

Rousseff will mit "großem Paket" Massen beruhigen

Das Veranstalterland und die Fußball-Weltmacht FIFA hatten sich Fangesänge erhofft. Doch in den Tagen des Confed-Cups erschallen nur Protestparolen in den Straßen Brasiliens.

TV-Ansprache von Rousseff

Mit einem Dialogangebot an die Demonstrationsführer und einem "großen Pakt" zur Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen hat nun die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff auf die massiven Sozialproteste der vergangenen Tage in rund 440 Städten reagiert.

In einer Fernsehansprache verteidigte sie am Freitagabend (Ortszeit) aber auch die hohen Investitionen für die Fußballweltmeisterschaft im kommenden Jahr. Rückendeckung erhielt sie von Nationaltrainer Luiz Felipe Scolari, der zur Zusammenarbeit mit der Regierung aufrief.

"Wir können sehr viele Dinge viel besser machen", sagte Rousseff einen Tag, nachdem mehr als eine Millionen Menschen gegen gestiegene Lebenshaltungskosten, Korruption und die hohen Ausgaben für bevorstehende Großereignisse wie die WM und die Olympischen Sommerspiele 2016 auf die Straße gegangen waren.

"Meine Regierung hört die demokratischen Stimmen, die Veränderungen fordern"


"Meine Regierung hört die demokratischen Stimmen, die Veränderungen fordern." Sie lade deswegen die Gouverneure und die Bürgermeister ein, einen großen Pakt zu schmieden. Insbesondere versprach die Präsidentin, für einen öffentlichen Verkehr zu "gerechten Tarifen" zu sorgen. Die Wut über gestiegene Fahrpreise hatte die Proteste vor mehr als einer Woche ausgelöst.

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Sie wolle das öffentliche Verkehrssystem ausbauen, mehr Öleinnahmen in die Bildung investieren und Ärzte aus dem Ausland anwerben, sagte Rousseff. "Die Stimme der Straße muss gehört und respektiert werden und kann nicht verwechselt werden mit dem Krach und der Grausamkeit einiger Rabauken." Die Präsidentin lud auch die Oppositionsführer zu Gesprächen ein, verurteilte aber zugleich eine "autoritäre und gewaltbereite Minderheit", die eine demokratische und friedliche Bewegung "beschmutze".

Zwei Millionen auf den Straßen

In der Nacht auf Freitag hatten die Proteste einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Die Nachrichtenagentur Agencia Brasil zählte fast zwei Millionen Demonstranten in 438 Städten. Am Donnerstag war es in mehreren Städten zu Ausschreitungen mit gewaltbereiten Demonstranten gekommen. Am Freitag gingen erneut Menschen in Rio de Janeiro, Sao Paulo und Curitiba auf die Straßen. In einer Vorstadt von Fortaleza stürmten rund hundert Hooligans ein Verwaltungsgebäude, in Rio wurde ein Autohaus geplündert.

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An die Kritiker der Milliardenausgaben für Fußballstadien gerichtet, sagte Rousseff: "Fußball und Sport sind Symbole für Frieden und ein friedliches Zusammenleben." Der Staat werde sich die Kosten von den Unternehmen und den Regionalregierungen wiederholen, die die Stadien nutzen würden. "Wir werden eine großartige Fußballweltmeisterschaft hinbekommen." Die Botschaft der Straße sei friedlich und demokratisch, sagte Rousseff. "Sie fordert einen systematischen Kampf gegen die Korruption und die Veruntreuung öffentlicher Gelder. Alle kennen mich. Davon werde ich nicht ablassen."

Rousseff warb für die Fußballweltmeisterschaft 2014 in ihrem Land. "Brasilien ist das einzige Land, das an allen Fußballweltmeisterschaften teilgenommen hat, wurde fünf Mal Weltmeister und wurde immer überall gut aufgenommen", sagte sie. Brasilien müsse seine Gästen mit "Achtung, Warmherzigkeit und Freude" empfangen.

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Nationaltrainer Scolari sagte, alle wollten ein gerechteres Land. "Die Leute in der Regierung wollen das auch und versuchen es. Wir können sie nicht einfach fertigmachen." Auch der Weltfußballverband FIFA steht trotz der Krise zum Austragungsort. "Die Weltmeisterschaft muss in Brasilien stattfinden", sagte FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke vor Journalisten in Rio. "Es gibt keinen Plan B."

Der Chef des Präsidialamtes, Gilberto Carvalho, warnte, die Proteste könnten womöglich den Weltjugendtag der Katholischen Kirche Ende Juli in Rio de Janeiro überschatten. Zu dem Großereignis wird auch Papst Franziskus erwartet (mehr dazu unten).

Ungeachtet der massiven Ausschreitungen laufen die Vorbereitungen für den Besuch von Papst Franziskus zum Weltjugendtag in Rio im nächsten Monat auf Hochtouren. Der Präsident der brasilianischen Bischofskonferenz (CNBB), Kardinal Raymundo Damasceno de Assis, machte klar, dass es keine Änderungen an dem Termin oder dem Ablauf der Veranstaltung gebe.

"Wir wünschen uns, dass der Weltjugendtag ruhig verläuft und die Jugendlichen aus Teilen (der Welt) empfängt, und dass sie ohne Störungen am ganzen Programm teilnehmen können", sagte er am Freitag nach einer CNBB-Sitzung. Im Hinblick auf die Proteste betonte er, dass der Staat das Demonstrationsrecht garantiere müsse. Nichts rechtfertige aber gewalttätige Ausschreitungen.

Der Papst wird am 22. Juli in Rio erwartet, wo er von 23. bis 28. Juli am Weltjugendtag teilnimmt. Es wird mit mindestens zwei Millionen Pilgern gerechnet. Viele Großveranstaltungen des Weltjugendtages finden an der Copacabana statt. Die Abschlussmesse ist in Guaratiba im Westen Rios. In der Stadt am Zuckerhut gelten für den Papst-Besuch scharfe Sicherheitsvorkehrungen.

Der US-Schauspieler Brad Pitt hat eine Premierenvorführung seines neuen Films "World War Z" in Rio de Janeiro abgesagt. Der 49-Jährige und die Filmvertriebsfirma reagierten damit auf die Proteste in dem südamerikanischen Land.

Es sei derzeit unangemessen, in Brasilien eine Filmpremiere zu machen, da dies immer mit einer Feier verbunden sei. Als unpassend zur derzeitigen Situation in Brasilien wurde auch das Thema des Filmes empfunden, das von einer Zombi-Invasion und Chaos in verschiedenen Städten handelt. Brad Pitt sollte am Samstag in Begleitung mit zwei seiner Söhne in Rio ankommen und bis Montag bleiben.