"Müssen selbst mit der Lage fertigwerden"
Von Stefan Schocher
Ergebnislos verlief das Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe (Ukraine, Separatisten, Russland, OSZE) in Minsk. Der Krieg geht weiter. Die OSZE sah die Verantwortung für das Scheitern des Treffens bei den Separatisten. Diese hätten nicht die geladenen Vertreter entsandt und die dann Anwesenden hätten kein Verhandlungsmandat gehabt. Die Separatisten sahen die Schuld bei der Regierung in Kiew. Diese hätte auf einer im vergangenen September im Waffenstillstandsabkommen festgelegten Pufferzone beharrt – diese sei nach den Vorstößen der "Volkswehren" aber überholt, so der Sprecher Dennis Puschilin.
Als wäre es eine Antwort auf das Schlamassel will die NATO laut FAZ nun baldigst dauerhaft Truppen in sechs osteuropäischen Staaten stationieren: In Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und Bulgarien sollen Stabszellen aufgebaut werden, die 40 Mann umfassen.
Und in der Ostukraine, da ist der Krieg wieder voll entbrannt. Anscheinend trauen sich die aus Russland materiell und personell massiv unterstützten Separatisten eine offene Konfrontation mit der ukrainischen Armee zu. Die Stadt Debaltsewe, ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, ist faktisch eingekesselt, Zivilisten wurden in den vergangenen Tagen evakuiert. Zugleich mobilisiert die ukrainische Armee weiter.
Tatsache ist, seit der letzten großen Eskalation der Kämpfe im vergangenen Sommer hat sich einiges getan in den ukrainischen Streitkräften. Laut Quellen im Sicherheitsapparat läuft die Abstimmung zwischen Armee, Truppen des Innenministeriums, Freiwilligeneinheiten unter Kommando des Innenministeriums aber auch mit dem Rechten Sektor, der sich offiziell keinem Kommando unterstellen will, mittlerweile "ohne Probleme". Das größte Manko nach wie vor: Es mangelt an Ausrüstung. Vor allem auch, weil große Teile der Waffenindustrie im Osten und damit in Hand der Separatisten sind.
Russland richtete zuletzt eine eindringliche Warnung an Bosnien, keine Waffen an die Ukraine zu verkaufen. Die NATO hat es Mitgliedsstaaten an sich prinzipiell freigestellt, auf bilateraler Basis Militärgüter zu liefern. Geschehen ist das laut dem Abgeordnete Lew Pidlisetskyy von der Regierungspartei Samopomich noch nicht. Anders sei das bei Defensiv-Waffen, wie etwa Schutzkleidung. Solche würden geliefert. "Wir haben verstanden, dass uns der Westen nicht personell unterstützen wird – wir müssen selbst mit der Lage fertigwerden", so Pidlisetskyy.
"Wir sind bereit", sagt Oleksiy Skrypnyk, ebenfalls Abgeordneter in der Regierungsfraktion. Waffen würden zwar dringend benötigt. Aber: Die Motivation der Armee sei hoch – in beinahe allen Rängen. Ein Problem bestehe im Generalstab. Denn dort, so Skrypnyk, säßen Leute, für die undenkbar sei, dass Russland eben kein Freund mehr sei.
So reibungslos verlaufen die Rekrutierungsbemühungen der Armee aber nicht. In einigen Regionen – auch im Westen – gibt es offenen Widerstand. Und Grenztruppen wurden angewiesen, Männer mit Einberufungsbefehl nicht über die Grenze zu lassen.