Papst von Präsident Erdogan empfangen
Von Hans Jungbluth
Erstmal einen Tee. Mit den Gepflogenheiten seiner Gastgeber freundete sich Papst Franziskus am Freitag bei seinem ersten Besuch in der Türkei schnell an. Gleich nach der Landung trank er in einem Empfangszimmer des Flughafens von Ankara erst einmal einen Tee aus einem typischen bauchigen Glas. Derart gestärkt stürzte sich der 77-jährige Pontifex dann in den wohl schwierigsten Besuch seiner bisherigen Amtszeit. Auf Franziskus wartete der wortgewaltige türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der nur einen Tag vor der Ankunft des Papstes allen Ausländern vorgeworfen hatte, sich am Tod von Muslimen zu erfreuen.
Wenn Franziskus verärgert war über diese Äußerungen, dann ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Allenfalls die erste Begegnung mit Erdogan in dessen neuem Palast in Ankara wäre ohne ein solches Störfeuer möglicherweise etwas herzlicher ausgefallen.
Einen Kommentar zu Erdogans Prunkpalast verkniff sich der Papst, er wollte seinen Gastgeber wohl nicht verärgern. Schließlich wurde der rund eine halbe Milliarde Euro teure „Weiße Palast“ erstmals zum Schauplatz einer offiziellen Willkommenszeremonie für einen Staatsgast.
Statt spitzer Kritik strich Franziskus zusammen mit Erdogan die gemeinsame Pflicht von Christen und Muslimen heraus, sich gegen Extremismus und Gewalt zu wenden.
Lob und Spitze
Beide warben für einen Dialog – wenn auch mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung. Erdogan gab nach seinem Gespräch mit Franziskus dem Westen eine Mitschuld an der Entstehung von Terrororganisationen wie El Kaida oder dem „Islamischen Staat“ (IS). Im Westen breite sich zudem die Islamophobie aus, kritisierte der türkische Präsident. Er verurteilte aber auch die „gegen den Westen gerichtete Gewalt in der islamischen Welt“.
Franziskus lobte die türkischen Anstrengungen bei der Versorgung von rund 1,6 Millionen syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen und betonte, die Welt müsse den Türken helfen. Ganz ungeschoren ließ der Papst den zunehmend autoritär agierenden türkischen Präsidenten allerdings nicht davonkommen. Franziskus betonte den Wert der Religions- und der Meinungsfreiheit – und das in einer Zeit, in der zahlreiche Kritiker Erdogans innerhalb und außerhalb der Türkei über immer schärfere Einschränkungen der freien Rede klagen.
Dennoch: Mit dem gemeinsamen Appell von Papst und Präsident für den Dialog erreichte der Besuch von Franziskus in der Türkei bereits am ersten Tag ein wichtiges Ziel. Anders als im Jahr 2006, als Papst Benedikt XVI. nach seiner Regensburger Rede viel Mühe darauf verwenden musste, zerschlagenes Porzellan wieder zu kitten, konnte Franziskus am Freitag von einer wesentlich positiveren Basis ausgehen.
An diesem Samstag und Sonntag will er sich in Istanbul besonders den Bemühungen um eine Überwindung der seit tausend Jahren bestehenden Spaltung zwischen katholischer und orthodoxer Kirche widmen. Den orthodoxen Patriarchen Bartholomäus I. trifft Franziskus an dessen Amtssitz am Goldenen Horn in Istanbul – der wesentlich bescheidener ist als Erdogans Palast.
Juli 2013 Brasilien: Seine erste Auslandsreise führt Franziskus zum Weltjugendtag nach Rio de Janeiro. Dort besucht er Suchtkranke und eine Favela, feiert eine Messe vor rund drei Millionen Pilgern.
Mai 2014, Heiliges Land: Der Pontifex erinnert an die Begegnung von Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras 50 Jahre zuvor. Er betet in Bethlehem an der palästinensischen Seite der Sperrmauer und besucht in Israel das Mahnmal für Terroropfer.
August 2014, Südkorea: Franziskus besucht den Asiatischen Jugendtag. Er spricht 124 koreanische Märtyrer selig und ruft zur Aussöhnung zwischen Nord- und Südkorea auf.
September 2014, Albanien: Die erste Auslandsreise des Papstes innerhalb Europas dauert nur elf Stunden. Der 77-Jährige kritisiert unter anderem religiös motivierten Terrorismus und Extremismus.
November 2014, Straßburg: Franziskus spricht während eines Kurzbesuchs vor dem Europaparlament und dem Europarat. Er erinnert Europa an seine Grundwerte und fordert mehr Solidarität.