Wer schlägt Vitali Klitschko?
Von Marie North
Wie wird man als Profiboxer Gesprächspartner der mächtigsten Frau der Welt? Der Ukrainer Vitali Klitschko macht es vor. Der Oppositionspolitiker ist einer der Anführer der seit Wochen andauernden Proteste gegen den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch in Kiew.
"Boxen hat Regeln, aber die ukrainische Politik ist einfach nur schmutzig."
Aber erst einmal alles von Anfang an: Geboren wurde Vitali Klitschko am 19. Juli 1971 in Belowodskoje, in der Kirgisischen SSR (heutiges Kirgisistan).
Seine Muttersprache ist Russisch, er spricht auch Tschechisch und Deutsch. Seine Eltern sind ein ukrainischer Offizier der Sowjetarmee und eine ukrainische Pädagogin. Seit 1996 ist er mit Natalia verheiratet, zusammen haben sie drei Kinder. Klitschko ist fertig studierter Sportlehrer.
Wie wird man "Dr. Ironfist"?
Geboxt wurde schon mit 13 Jahren, der Startschuss fiel damals auf dem sowjetischen Militärstützpunkt in Hradčany, in der ehemaligen Tschechoslowakei, wo die Klitschkos seit einer Versetzung des Vaters lebten. 1985 kam der Umzug nach Kiew und Kickboxen. Er schaffte es in die sowjetische Nationalmannschaft. Nach dem Militärdienst begann er mit klassischem Boxtraining. Es folgte eine erfolgreiche Karriere als Amateurboxer von 1992 bis 1996. 1996 schaffte er die Teilnahme an Olympia in Atlanta, musste aber wegen eines Nachweises eines Steroids doch absagen.
Ende 2013 wurde Klitschko vom mexikanischen Weltverband zum "Champion Emeritus" ernannt. Er hat damit seinen WBC-Weltmeistergürtel niedergelegt. Theoretisch könnte er in den Boxring zurückkehren.
Die Brüder verband in der Vergangenheit auch mehrere Werbedeals, unter anderem für Kinder-Milchschnitte und diverse Biersorten.
Vom Boxring in die Politik
Bei der "Orangen Revolution" im Winter 2004/2005 betraten die Klitschko-Brüder die politische Bühne. Beide traten bei Demonstrationen auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz offen für den damaligen Oppositionsführer und späteren Präsidenten Viktor Juschtschenko ein.
Vitali Klitschkos Interesse für Politik wurde spätestens 2006 offenkundig, als er zum ersten Mal für das Amt des Bürgermeisters von Kiew kandidierte. Er scheiterte wie auch zwei Jahre später, 2008.
Die Partei kam 2012 auf Anhieb ins Parlament. Sie gibt sich als sozial orientierte, wertkonservative Partei. Wichtigster Programmpunkt ist der Kampf gegen Korruption. Udar unterscheidet von den beiden anderen Oppositionskräften "Batkiwschina" (Vaterlandspartei) und die nationalistische "Swoboda" (Freiheit), dass sie einen ähnlichen Stimmenanteil in allen Landesteilen hat, also auch in der russischsprachigen Ost- und Südukraine akzeptiert wird.
Klitschko for President
In Kiew wohnt er in einem 225-Quadratmeter-Loft.
Sprachrohr seiner politische Botschaften ist die Bild-Zeitung. Das Medium ist klug gewählt, sie ist eine der auflagenstärksten Tageszeitungen Europas. Öffentlichkeit ist ihm da sicher.
2015 will der 2,02-Meter-Hüne Präsident des zweitgrößten Flächenstaats Europas werden. Kritiker werfen Klitschko vor, kein klares politisches Konzept zu haben.
Die Ukraine ist nach Russland das größte Flächenland Europas. Sie ist auch das wichtigste Transitland für russische Gaslieferungen in die EU. Seit 1991 ist die frühere Sowjetrepublik unabhängig. Das Land mit der Hauptstadt Kiew gilt heute als gespalten in den russischsprachigen Osten und Süden und in den ukrainischsprachigen Westen. Sonderstatus genießt die mehrheitlich von Russen bewohnte Halbinsel Krim am Schwarzen Meer, die in der Verfassung als Autonome Republik verankert ist.
Deutschland gilt für das osteuropäische Land mit rund 46 Millionen Einwohnern als wichtigster Handelspartner nach Russland. Unternehmer beklagen die weit verbreitete Korruption und überbordende Bürokratie.
International bekannt wurde die Ukraine nicht nur mit der Orangen Revolution von 2004, als die Bevölkerung friedlich gegen die Fälschung der Präsidentenwahl protestierte und einen demokratischen Wandel einleitete. Weltweite Betroffenheit löste die Atomkatastrophe von Tschernobyl 1986 aus. Die Folgen des größten Unfalls in der Geschichte der zivilen Nutzung der Kernenergie stellen das Land weiter vor große Herausforderungen: Rund drei Millionen Menschen und neun Prozent des Territoriums sind heute noch betroffen.
Überalterte Industrieanlagen, militärische Altlasten und gefährliche Gruben, in denen jedes Jahr viele Bergarbeiter sterben, machen den ukrainischen Behörden immer wieder zu schaffen. Trotz Fortschritten in vielen Bereichen des Alltags beklagen Menschenrechtler weiterhin die Lage in den ukrainischen Gefängnissen, psychiatrischen Anstalten und Kinderheimen.