Politik/Ausland

Öxit, Frexit, Nexit: Der Brexit und seine Kinder

So richtig mögen die beiden einander nicht. Am Freitag jedoch war Nigel Farage auch für Marine Le Pen ein Held: Dass der Chef der britischen UKIP es geschafft hat, die Briten für den Brexit zu begeistern, ließ die Chefin des französischen Front National jubeln: "Sieg der Freiheit!", schrieb sie auf Twitter. Und: "Wir brauchen dasselbe Referendum in Frankreich", so Le Pens Forderung.

Dass derselbe Nigel Farage sie noch einige Wochen zuvor massiv brüskiert hatte, weil er ihre Unterstützung in der Brexit-Kampagne als ziemlich kontraproduktiv ansah – Le Pen erschien ihm zu radikal –, war in diesem Moment völlig egal. So paradox es auch klingen mag: Wenn der Feind derselbe ist, kann Nationalismus über die Landesgrenzen hinweg verbinden.

Die Rufe klingen ähnlich

Im konkreten Fall sind das die Bürokraten, die Eliten, das verhasste Brüssel – eine gesichtslose Zielscheibe, der die Nationalisten Europas seit Kurzem unter dem Schlagwort "Patriotischer Frühling" zu Leibe rücken. Österreichs FPÖ-Chef HC Strache ist da an vorderster Front – gemeinsam mit Le Pen, mit der er kürzlich in Wien das einjährige Bestehen der gemeinsamen Fraktion im EU-Parlament feierte. Unterstützung kommt auch von der AfD aus Deutschland und vom Niederländer Geert Wilders. Dementsprechend ähnlich klangen am Freitag auch Jubel und Forderungen angesichts des Brexit: "Wenn sich die EU nicht reformiert, dann wird es auch in Zukunft eine Abstimmung über den ÖXIT geben!", so HC Strache. Wilders machte sich parallel für einen Nexit stark: "Jetzt sind wir dran. Zeit für ein niederländisches Referendum." Lediglich aus Deutschland kamen verhaltenere Wünsche. Nur Rechtsaußen Björn Höcke setzt sich für einen Austritt Deutschlands ein; der Rest der Partei macht sich für einen Rückbau der EU zu einer Wirtschaftsunion stark.

Ressentiments bündeln

Dass die Chancen, dass es in diesen Ländern tatsächlich zu bindenden Voten kommt, nicht gerade groß sind, macht da wenig. Vorerst geht es den rechten Kräften darum, vorhandene Ressentiments für nationale Wahlen zu bündeln. Denn ohne Regierungsbeteiligung ist kaum eine bindende Austritts-Befragung machbar. In Frankreich bräuchte es den Sanktus des Staatspräsidenten, in Österreich wäre ein Plebiszit auch nur auf Initiative des Nationalrates und auf Anordnung des Bundespräsidenten denkbar – zuletzt war dies beim EU-Beitritt der Fall. Und in den Niederlanden hütet man sich ohnehin vor Befragungen: Dort sitzt der Schock über das Ukraine-Referendum, das das tiefe Misstrauen in die EU offenlegte, noch tief. Ebenso ergeht es dem dänischen Premier Lars Løkke Rasmussen, dessen Kabinett nur mit Duldung der rechtspopulistischen Volkspartei regieren kann, dass die im Sog des Brexit jetzt auch nach einem Referendum ruft, sorgt in Kopenhagen für Verunsicherung.

Dort, wo die EU-Skeptiker die Regierung stellen, scheint man bereits einen Schritt weiter entfernt von Brüssel – allerdings nur vordergründig. Ungarns rechtskonservativer Premier Orbán etwa lässt seine Bevölkerung im Herbst über die EU-Flüchtlingsquote befragen. Auf eine Austritts-Diskussion zusteuern will er damit aber nicht: Vor dem Votum der Briten warb er sogar offen für das "Remain" Londons – aus wirtschaftlichen Überlegungen. Dieselbe Begründung hat auch seine Distanz, was einen Austritt angeht. Neben Polen, wo die rechtskonservative PIS an der Macht ist, ist Ungarn einer der größten Nettoempfänger.

So sehr sich die EU-Skeptiker ähneln, so unterschiedlich ist aber ihre nationale Verfasstheit. Oft werden Nationalisten aus dem Nachbarstaat radikaler wahrgenommen als jene im eigenen Land. Der Dissens zwischen Farage und Le Pen ist da nur ein Beispiel; auch bei großen Teilen der AfD ist die Französin – ebenso wie HC Strache übrigens – ein nicht gerade gern gesehener Partner.

Das erschwert ihnen die Kooperation auf EU-Ebene – noch zumindest.