Obama und Castro: Der Beginn einer neuer Ära
Ich hatte eine offene und ergiebige Unterhaltung mit Raul Castro", sagte Barack Obama danach: Der US-Präsident und der kubanische Staatschef Raul Castro haben am Samstag eine neue Ära in den Beziehungen der beiden jahrzehntelang verfeindeten Staaten eingeläutet – mehr als eine Stunde sprachen die beiden miteinander.
"Dies ist ein historischer Moment", erklärte der US-Präsident, als er mit Castro zum ersten offiziellen Treffen von Staatsoberhäuptern der beiden Länder seit 1956 zusammentraf. "Die Geschichte zwischen den Vereinigten Staaten und Kuba ist kompliziert gewesen. Nach 50 Jahren gescheiterter Politik ist es nun an der Zeit, etwas Neues auszuprobieren." Der kubanische Staatschef sagte, beide Seiten müssten nun "viel Geduld" aufbringen. Kuba nahm erstmals an einem Gipfeltreffen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) teil.
"Andere und bessere Richtung"
Nach der Unterredung mit Castro äußerte sich Obama zuversichtlich über eine weitere Annäherung der beiden Staaten. "Wir konnten uns ehrlich über unsere Meinungsverschiedenheiten und Bedenken unterhalten." Das Gespräch mache ihm Hoffnung, dass sich die US-kubanischen Beziehungen in eine "andere und bessere Richtung" entwickeln könnten. Er habe Castro aber gleichzeitig deutlich gemacht, "dass wir nicht aufhören werden, über Themen wie Demokratie, Menschenrechte sowie die Versammlungs- und Pressefreiheit zu sprechen".
In Panama wurde das Treffen einstimmig begrüßt. Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff sagte, mit der Annäherung zwischen den früheren ideologischen Erzrivalen seien "die Überreste des Kalten Kriegs in der Region" endgültig beseitigt.
Wendepunkt
Zum Auftakt des Gipfeltreffens hatten Obama und Castro einander am Freitag zunächst per Handschlag begrüßt und kurz einige Worte gewechselt. Am Samstag schlugen die beiden Staatschefs dann in ihren Reden vor den Gipfelteilnehmern versöhnliche Töne an. Obama sagte, die geänderte Kuba-Politik Washingtons markiere einen "Wendepunkt" für den gesamten amerikanischen Kontinent. Es sei aber auch "kein Geheimnis, dass zwischen unseren beiden Ländern weiterhin bedeutende Unterschiede bestehen".
Castro seinerseits forderte, die Frage des vor mehr als einem halben Jahrhundert verhängten Wirtschafts- und Handelsembargos der USA gegen den sozialistischen Karibikstaat müsse "gelöst werden". Er begrüßte es als "positiven Schritt", dass in Washington nun bald die Entscheidung über die Streichung Kubas von der Liste der Unterstützerstaaten des Terrorismus fallen werde. Er hoffe nun auf eine "zivilisierte Koexistenz" der beiden Länder. Sein Gegenüber lobte Castro ausdrücklich für die eingeleitete Annäherung. Er sagte: "Meiner Meinung nach ist Obama ein ehrlicher Mann."
Terrorliste
Nach Angaben eines US-Regierungsvertreters will Obama "in den kommenden Tagen" entscheiden, ob Kuba von der US-Terrorliste gestrichen wird. Die beiden Präsidenten hätten sich außerdem darauf geeinigt, die geplante Wiedereröffnung der Botschaften in Washington und Havanna voranzutreiben.
Das zuvor letzte Mal, dass die Spitzen der beiden Länder ein substanzielles Treffen abhielten, war 1956. Damals war Dwight Eisenhower US-Präsident und Fulgencio Batista der von den USA gestützte Diktator in Havanna. Am 1. Jänner 1959 stürzten Fidel und Raul Castro Batista. In der Folge verschlechterten sich die US-kubanischen Beziehungen rapide.
Treffen mit Maduro
Obama nützte den zweitägigen Amerika-Gipfel auch, um die Wogen im Streit mit Kubas Verbündetem Venezuela zu glätten. Erstmals seit dessen Amtsantritt vor zwei Jahren traf der US-Präsident seinen venezolanischen Amtskollegen Nicolas Maduro. Die Begegnung dauerte allerdings nur wenige Minuten. Obama habe deutlich gemacht, dass Washington das südamerikanische Land nicht bedrohen wolle, "sondern die Demokratie, die Stabilität und den Wohlstand in Venezuela und der Region unterstützen will", sagte eine Sprecherin des Weißen Hauses.
Bei dem Gipfeltreffen in Panama hatte Maduro den US-Präsidenten zuvor aufgerufen, die gegen sein Land verhängten Sanktionen aufzuheben. Das Verhältnis zwischen den USA und Venezuela ist seit Jahren angespannt. Im März hatte die US-Regierung Strafmaßnahmen unter anderem gegen Spitzenvertreter des Sicherheitsapparats verhängt, weil diese Menschenrechte verletzt haben sollen. Außerdem bezeichneten die Vereinigten Staaten Venezuela als Bedrohung für die nationale Sicherheit. Vor allem dafür erntete die US-Regierung Kritik mehrerer lateinamerikanischer Staaten, das Thema belastete auch den Gipfel. Der Linkspolitiker Maduro wirft Washington regelmäßig vor, die regierungsfeindlichen Proteste in Venezuela zu fördern und seinen Sturz zu betreiben.