Politik/Ausland

NSU-Prozess: Maximale Anklage für Zschäpe

Strafverfahren finden in, aber nicht für die Öffentlichkeit statt": Mit diesen Worten lehnt das Gericht in München eine Verlegung des NSU-Prozesses in einen größeren Saal ab. Damit ist ein entsprechender Antrag der Beate Zschäpe-Verteidiger gescheitert.

Nach einwöchiger Unterbrechung wegen mehrerer Befangenheitsanträge ist der NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) München am Dienstag fortgesetzt worden. Von Beginn an ging es am zweiten Verhandlungstag nur schleppend voran. Mehrere Anträge der Verteidigung und der Nebenklage führten zu Verzögerungen. Zwischen Verteidiger Wolfgang Heer und Richter Götzl kam es mehrfach zu Wortgefechten.

Anklage

Die deutsche Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe Mittäterschaft bei sämtlichen Taten der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) vor: Zschäpe habe gemeinschaftlich mit den gestorbenen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos unter anderem zehn Morde begangen. Die 38-Jährige verfolgte die Verlesung der Anklage zurückgelehnt und ohne sichtbare Regung.

In der Anklage beschrieb Bundesanwalt Herbert Diemer das Konzept des NSU. Demnach sollten Menschen südeuropäischer, vornehmlich türkischer Herkunft "willkürlich ausgewählt und durch hinrichtungsgleiche Erschießungen getötet werden". Detailliert schilderte der Bundesanwalt die einzelnen Morde: Wie Böhnhardt und Mundlos neun Geschäftsmänner türkischer und griechischer Herkunft mit einer Pistole der Marke "Ceska" erschossen.

"Der Angeklagten Zschäpe, die jeweils an der Planung und Vorbereitung beteiligt war, oblag es, während der Tatausführung regelmäßig die Reisebewegungen von Böhnhardt und Mundlos abzutarnen und einen sicheren Rückzugsraum zu schaffen", so Diemer. Darüber hinaus seien die Mitglieder des NSU verantwortlich für zwei Sprengstoffanschläge in Köln, bei denen mindestens 23 Menschen schwer verletzt wurden; außerdem für den Mordanschlag auf zwei Polizisten in Heilbronn, bei dem eine Beamtin getötet wurde.

Auch bei den 15 Banküberfällen, die Böhnhardt und Mundlos zugerechnet werden, sei Zschäpe die Aufgabe zugekommen, "die Reisebewegungen ihrer Komplizen zu legendieren und einen sicheren Rückzugsraum zu schaffen, sowie die Tatbeute zu verwalten, indem sie die notwendigen finanziellen Verpflichtungen nach außen regelte".

Schließlich habe Zschäpe die gemeinsame Wohnung angezündet, nachdem sich Böhnhardt und Mundlos am 4. November 2011 getötet hatten, um einer Festnahme zu entgehen.

Zschäpe wollte eigenen Beitrag leisten

Damit wollte Zschäpe der Anklage zufolge nicht nur den Bestand der Gruppe sichern, sondern zu jeder Tat einen eigenen, gleichwertigen Beitrag leisten. Zschäpe habe Böhnhardt mehrmals bei der Anmietung von Wohnmobilen begleitet, und sie habe sich auch an der Beschaffung von Waffen beteiligt. Hierauf stützt die Bundesanwaltschaft im Wesentlichen den Vorwurf der Mittäterschaft.

ndré E. sei dem NSU unter anderem bei der Beschaffung von Wohnmobilen behilflich gewesen. Holger G. habe Dokumente und Ausweise beschafft, um den dreien ein Leben in der Illegalität zu ermöglichen. Ralf Wohlleben und Carsten S. schließlich sollen die "Ceska" beschafft haben, mit der Böhnhard und Mundlos töteten. Ihnen wirft die Bundesanwaltschaft Beihilfe zu neun Morden vor.

86 Angehörige und Opfer sind als Nebenkläger zugelassen, sie werden von 62 Anwälten vertreten. Das Prozess gilt als einer der bedeutendsten in der deutschen Geschichte.

Verzögerungstaktik

Alle Inhalte anzeigen
Das Verfahren war wegen der Befangenheitsanträge der Verteidigung gegen insgesamt drei Richter gleich am ersten Prozesstag am 6. Mai unterbrochen worden. Das OLG lehnte die Anträge inzwischen ab. Einige Nebenkläger warfen der Verteidigung vor, das Verfahren verzögern zu wollen. Die Anwälte der Angehörigen des vom NSU ermordeten Halit Yozgat wollen darauf drängen, dass die deutsche Bundesanwaltschaft nun umgehend die Anklage verliest.

Zum zweiten Verhandlungstag war die Hauptangeklagte Zschäpe in der Früh wieder mit einem gepanzerten Fahrzeug aus der Justizvollzugsanstalt Stadelheim zum OLG gefahren worden. Rund 350 Beamte sollten im Einsatz sein. Anders als am ersten Prozesstag waren laut Polizei keine Demonstrationen angekündigt. Auch aus dem rechten Lager gebe es keine Hinweise auf Aktionen.

So verlief der Prozessauftakt Anfang Mai:

Alle Inhalte anzeigen