Politik/Ausland

Niederlage für Clinton - und für die Meinungsforscher

Der Sieg Donald Trumps bei der US-Präsidentschaftswahl war nicht nur eine Niederlage für Hillary Clinton - sondern auch für die Meinungsforscher in den USA. Nahezu alle 20 größten Umfrageinstitute, darunter die zuständigen Abteilungen von Fernsehsendern und renommierten Zeitungen, sagten einen Sieg der demokratischen Kandidatin voraus.

Einen konstanten Vorsprung des Republikaners Trump ergaben lediglich die gemeinsamen Erhebungen der Los Angeles Times und der University of Southern California (USC).

Was sagten die Umfragen voraus?

Noch am Morgen des Wahltags am Dienstag errechnete die angesehene Website RealClearPolitics einen durchschnittlichen Vorsprung von 3,3 Prozentpunkten für Clinton. In den frühen Morgenstunden des Mittwoch, als Trumps Einzug ins Weiße Haus nicht mehr zu stoppen war, machte sich Erstaunen breit. "Schrecklich", kommentiert der bekannte Wahlbeobachter Nate Silver die Erkenntnis, dass die Institute so daneben lagen.

Silvers Blog FiveThirtyEight hatte vorhergesagt, dass Clinton die Schlüsselstaaten Florida, North Carolina, Pennsylvania und Wisconsin gewinnen würde - sie verlor alle vier Staaten. Die Umfrageabteilung der "New York Times" errechnete eine 85-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass Clinton gewinnt und sogar eine 93-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass sie Wisconsin holt.

"Die Kristallkugel hat ganz klar einen Sprung", sagt der Politologe Larry Sabato von der Universität von Virginia der Nachrichtenagentur AFP. Auch er hatte auf seiner Statistik-Website Larry Sabato's Crystal Ball einen Sieg Clintons vorhergesagt.

Warum lagen die Umfrageergebnisse so daneben?

"Es ist offensichtlich, dass etwas geschehen ist", sagt Sabato zu den Fehleinschätzungen der Institute, die in diesem Wahljahr hunderte Umfragen vornahmen. Offenbar unterschätzt worden sei die Zahl der stillen Trump-Unterstützer, die normalerweise nicht wählen gehen, aber diesmal ihre Stimme abgaben. "Die Beteiligung der Weißen im ländlichen Amerika ist durch die Decke gegangen", sagt Sabato. Dagegen ging die Beteiligung unter den Schwarzen und den jungen Wählern zurück.

Zwar hätten die Wahlforscher damit gerechnet, dass sich in diesem Jahr im Vergleich zur Wiederwahl von Barack Obama 2012 weniger Schwarze und junge Bürger an die Urnen locken lassen. Aber in den Vorhersagen zu den potentiellen Wählern sei schlichtweg die Beteiligung der weißen ländlichen Gebiete unterschätzt worden.

Laut einem weiteren Wahlbeobachter, der ungenannt bleiben wollte, unterschätzte selbst das Clinton-Wahlkampfteam die Stimmen der weißen Arbeiterklasse: "Sie lagen komplett falsch - und haben ein Vermögen ausgegeben."

Haben die Institute die Anti-Clinton-Stimmung unterschätzt?

"Nein", meint Sabato. Die Stimmung habe sich in den Umfrageergebnissen widergespiegelt. Der Stratege Paul Begala von den Demokraten räumt allerdings im Sender CNN ein, dass die Stärke der Ressentiments unterschätzt worden sei. "Ich hatte keine Ahnung, wie tief die Spaltung ist", sagt er.

Was bedeutet das für künftige Umfragen?

Er sei "ratlos", weil "buchstäblich hunderte Umfragen falsch lagen", sagt Sabato. Es werde mindestens eine Expertenkommission geben, "die etwas vorschlägt, das funktioniert". Auch vor dem Brexit-Referendum in Großbritannien im Juni hatten die Umfragen daneben gelegen.

Umfragen ganz bleiben zu lassen, hält Sabato jedoch für keine Alternative: "Die Analyse, die auf Anekdoten basiert, ist nicht wissenschaftlich", sagt er. "Man darf sich nicht auf Instinkte verlassen, man muss sich auf die Daten stützen."

Sabato räumt aber ein, dass Telefonumfragen immer problematischer werden - zum einen, weil wenig Bürger Lust haben, daran teilzunehmen, zum anderen aufgrund der weniger werdenden Festnetzanschlüsse. Daher werde es in Zukunft verstärkt Online-Umfragen geben. Bedenken, Internet-Umfragen könnten leicht verfälscht werden, wischt der Politologe beiseite: "Sie sind nicht unzuverlässig - nicht, wenn man sie gut macht."

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