Vom Guerillaführer zum Familienunternehmer
Von Susanne Bobek
Nicaragua, das war in den 1980er-Jahren der Sehnsuchtsort der internationalen Linken. Die Sandinisten galten vielen als Helden. Heute fährt der wiedergewählte Ex-Guerillero Daniel Ortega, inzwischen ist er 71 Jahre alt, einen neoliberalen Wirtschaftskurs. Und seine Frau, die Vizepräsidentin und Nationaldichterin Rosario Murillo gibt sich christlich und vor allem esoterisch. Und die sieben Kinder sitzen an den wichtigsten Schaltstellen der Macht.
Die insgesamt vierte Wiederwahl von Daniel Ortega (1985 - 1990, 2006, 2011 und 2016) galt bereits vor den Wahlen als sicher. Denn die Opposition hatte zum Boykott aufgerufen. Deshalb wurde das überwältigende Wahlergebnis von 71,3 Prozent schon Sonntag Abend in den Straßen Managuas gefeiert. Enttäuschte Ex-Rebellen blieben lieber zu Hause.
Nicaragua ist nach Haiti noch immer das zweitärmste Land der westlichen Hemisphäre. Doch Ortegas Strategie "verteile und herrsche" geht auf. Umfangreiche Sozialprogramme machen das Leben halbwegs erträglich, dazu kommt, dass viele Exil-Nicaraguaner, die zum Beispiel in den USA arbeiten, Geld an ihre Familien schicken.
Kleptokratie
Der einstige Sehnsuchtsort der Linken hat sich in eine autoritäre Kleptokratie verwandelt. Ein Großteil der Subventionen aus dem befreundeten Venezuela soll auf den Privatkonten der Familie Ortega verschwunden sein. Dafür hat die Familie einen Nicht-Angriffspakt mit der katholischen Kirche und konservativen Unternehmerschaft geschlossen. "Das ist traurig für ein Land, das so viel für seine Freiheit gekämpft hat", sagt die Schriftstellerin Gioconda Belli, die gegen das Somoza-Regime und die Contras gekämpft hat.
Die neue starke Frau an der Seite ihres offenbar schwer kranken Mannes ist Rosario Murillo, die Vizepräsidentin. "Sie wollen unbedingt sicherstellen, dass die Macht im Familienkreis bleibt", sagt die Ex-Guerillera Dora Maria Dellze von der Dissidentenpartei MRS. Die Familie kontrolliert Ölimporte, Fernsehsender und das umstrittene, von der chinesischen Firma HKND finanzierte Kanalprojekt vom Pazifik zum Atlantik. Treibende Kraft hinter dem Projekt ist einer von Ortegas Söhnen.