Politik/Ausland

Nemzow-Mord: Verdächtiger bekennt sich schuldig

Gut eine Woche nach dem Mord an dem russischen RegierungskritikerBoris Nemzow hat ein erster Verdächtiger eine Beteiligung an der Bluttat gestanden. Ein Moskauer Gericht nahm am Sonntag insgesamt fünf Männer aus dem islamisch geprägten Nordkaukasus in Untersuchungshaft. Ihnen wird vorgeworfen, an der Organisation und Ausführung der Bluttat beteiligt gewesen zu sein.

Die Verteidigung kündigte Berufung gegen die Entscheidung an. Vier der Verdächtigen wiesen die Anschuldigungen nach Gerichtsangaben zurück. "Es gibt Beweise für ihre Beteiligung", sagte dessen ungeachtet ein Vertreter der Staatsanwaltschaft.

Selbstmord

In der Nordkaukasusrepublik Tschetschenien soll sich zudem ein weiterer mutmaßlicher Verdächtiger selbst getötet haben. Der Mann habe eine Granate gezündet, als die Sicherheitskräfte ihn in der Hauptstadt Grosny in der Nacht auf Sonntag festnehmen wollten, berichtete die Agentur Interfax unter Berufung auf Ermittlerkreise. Eine unabhängige Bestätigung lag zunächst nicht vor.

Der Oppositionspolitiker Nemzow war am 27. Februar von einem Unbekannten in der Nähe des Kreml hinterrücks erschossen worden. Die Behörden gingen von einem Auftragsmord aus, berichtete die Agentur Interfax. Von möglichen Hintermännern war zunächst keine Rede.

Rolle des Verdächtigen unbekannt

Der Verdächtige Saur Dadajew "hat eine Beteiligung an der Ausführung des Verbrechens gestanden", sagte die Richterin Natalja Muschnikowa, die anordnete, dass er und ein zweiter Verdächtiger, Ansor Gubatschew, vorerst bis Ende April in Untersuchungshaft bleiben müssen. Welche Rolle Dadajew bei dem Mordanschlag spielte, war zunächst nicht bekannt. Dadajew und Gubatschew waren am Samstag in der Teilrepublik Inguschetien im Nordkaukasus gefasst worden. In der Unruheregion kommt es immer wieder zu Anschlägen von muslimischen Extremisten.

Eine der Theorien der Ermittler zum Motiv für die Ermordung Nemzows ist ein islamistischer Hintergrund. Der Oppositionelle soll Drohungen aus diesem Milieu erhalten haben, weil er sich nach dem Anschlag auf die Pariser Satirezeitung "Charlie Hebdo" im Jänner solidarisch mit den Opfern gezeigt hatte.

Frage nach den Hintermännern

Dennoch könne noch nicht von einem Durchbruch in den Ermittlungen gesprochen werden, warnten Beobachter. "Wir hoffen, dass Menschen festgenommen wurden, die tatsächlich etwas mit dem Mord zu tun haben", sagte der Oppositionelle Ilja Jaschin. Die Hintermänner der Tat müssten gefunden werden, forderte er.

Über Dadajew berichteten Medien, er komme aus einer Spezialeinheit der Sicherheitskräfte der Nordkaukasusrepublik Tschetschenien. Der Verdächtige Ansor Gubatschew soll für eine private Sicherheitsfirma in Moskau gearbeitet haben. Später wurden auch dessen jüngerer Bruder Schagid Gubatschew sowie zwei Männer namens Ramsan Bachaijew und Tamerlan Eskerchanow festgenommen. Über sie war zunächst nichts Näheres bekannt.

Kreml-Beteiligung?

Kritiker vermuten die Hintermänner im Umfeld des Kremls, ohne Beweise vorzulegen. Nemzow galt als einer der wichtigsten Anführer der Opposition und entschiedener Gegner von Präsident Wladimir Putin. Schanna Nemzowa, die Tochter des Mordopfers, warf dem Kreml eine direkte Verwicklung in den Fall vor. "Er wurde umgebracht, weil er gegen den Kreml war", sagte sie der deutschen Zeitung Bild am Sonntag. An eine Aufklärung des Falls glaubt sie nicht: "Irgendjemand wird bestraft werden, aber nicht der wirklich Schuldige." Präsident Putin hatte den Mord als Provokation verurteilt.

Die Verdächtigen wurden von schwer bewaffneten Polizisten in Handschellen in den Gerichtssaal geführt und in Käfige gesperrt. Mit ihren Mützen, Jacken und Händen versuchten sie, ihre Gesichter vor Fotografen zu verbergen.

Der Mord an Nemzow reiht sich ein in eine Vielzahl ähnlicher Verbrechen, denen in den vergangenen Jahren Oppositionelle wie die Menschenrechtsaktivistin Natalja Estemirowa oder die Journalistin Anna Politkowskaja zum Opfer fielen.