Politik/Ausland

Nawalny: Zwei Jahre nach dem Giftanschlag

Der im Straflager inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawalny hat den zweiten Jahrestag des Giftanschlags auf ihn als einen Geburtstag gefeiert. „Zum zweiten Mal feiere ich meinen zweiten Geburtstag. Den Tag, als sie mich töteten, aber ich warum auch immer nicht gestorben bin“, schrieb der 46-Jährige in einem am Samstag auf Instagram veröffentlichen Gruß aus dem Straflager. Darin machte er erneut Kremlchef Wladimir Putin für den Mordanschlag am 20. August 2020 mit dem tödlichen Nervengift Nowitschok verantwortlich. Und er kritisierte, dass noch immer nicht offiziell in dem Fall ermittelt werde. Der Kreml bestreitet, dass es ein Verbrechen gegeben hat.

Wegen angeblichen Betrugs sitzt der schärfste Gegner Putins in der Strafkolonie 6 in Melechowo nahe der Stadt Kowrow etwa 260 Kilometer nordöstlich von Moskau - unter besonders harten Haftbedingungen. Im Mai bestätigte ein Gericht die neunjährige Haftstrafe.

"Maske fallen gelassen"

Der prominente Oppositionelle wies erneut darauf hin, dass ein Rechercheteam einer Gruppe des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB das Attentat nachgewiesen habe. „Den Kreml hat dann, weil ich überlebt habe, so eine Verbitterung ergriffen, dass er mich erst zu 3,5 Jahren verurteilen ließ und dann zu neun Jahren.“

Der Fall habe nicht nur das Verbrechertum Putins und seines Regimes offengelegt, sondern sich auf das gesamte politische System in Russland ausgewirkt. „Das System hat jede Maske fallen lassen; Ende Januar 2021 wurde es dann schon ganz ohne Umschweife repressiv und autoritär“, meinte Nawalny, der damals nach einer Behandlung in Deutschland trotz drohender Haft in seine Heimat zurückgekehrt war. So etwas komme davon, wenn ihm einer die Unterhosen ohne Erfolg mit Nowitschok vollschmiere, sagte Nawalny zu seiner Rückkehr.

Den chemischen Kampfstoff sollen FSB-Agenten in einem Hotel auf Nawalnys Unterhosen aufgetragen haben. Kurz danach brach er am 20. August 2020 auf einem Flug nach Moskau zusammen. Er wurde erst in ein russisches Krankenhaus gebracht und dann nach Deutschland ausgeflogen, wo er in der Berliner Charité behandelt wurde. Mehrere Labors wiesen den international geächteten Kampfstoff Nowitschok nach.

Würdigung Nawalnys

EU-Chefdiplomat Josep Borrell, Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg und Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz haben am zweiten Jahrestag des Giftanschlags auf Alexej Nawalny an das Schicksal des in Russland inhaftierten Kreml-Gegners erinnert. „Wir bedauern das Verbot der Organisation von Herrn Nawalny“, hieß es am Samstag in einer EU-Aussendung. Schallenberg twitterte: „Das harte Vorgehen gegen abweichende Stimmen in #Russia muss aufhören.“

Zwei Jahre nach dem abscheulichen Giftanschlag auf Nawalny sitze er immer noch im Gefängnis, bedauerte der Außenminister (ÖVP) über den Kurznachrichtendienst. „Wir fordern seine sofortige und bedingungslose Freilassung und dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden.“

Aufforderung an Russland

Auch seitens der EU wurde „die anhaltende Verfolgung und Inhaftierung von Nawalny und Mitgliedern seines Teams“ sowie „die jüngsten ungerechtfertigten Disziplinarmaßnahmen der Gefängnisbehörden“ gegen den Kreml-Kritiker kritisiert. „Wir machen die russischen Behörden für die Sicherheit und Gesundheit von Herrn Nawalny in der strengen Regimekolonie verantwortlich.“

Mit Bedauern wurde festgestellt, „dass Russlands ungerechtfertigter, unprovozierter und illegaler Krieg gegen die Ukraine die interne Repression und das systematische Vorgehen gegen die schärfsten Kritiker des Kremls und die Zivilgesellschaft insgesamt nur noch verstärkt hat“.

Die Europäische Union fordert Russland erneut auf, „seinen Verpflichtungen aus der Europäischen Menschenrechtskonvention nachzukommen und auch die einstweilige Verfügung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu befolgen, in der die sofortige Freilassung von Herrn Nawalny aus der Haft gefordert wird.“

"Unverändert mutiger Mann"

Der deutsche SPD-Bundeskanzler erklärte laut Nachrichtenagentur dpa in einer am Samstag veröffentlichten Videobotschaft, Nawalny sei „unverändert ein mutiger Mann“ und stehe für die Prinzipien, „die für viele Bürgerinnen und Bürger Russlands eine gute Perspektive weisen. Nämlich, dass man am besten lebt in einer Demokratie und einem Rechtsstaat“. Gerade deshalb sei es so wichtig, in diesen Tagen auch an Nawalny zu denken, unterstrich Scholz.

Denn der russische Krieg gegen die Ukraine habe auch Konsequenzen für Russland. „Freiheit und Demokratie waren schon vorher gefährdet. Aber jetzt ist die Meinungsfreiheit noch viel mehr gefährdet und viele fürchten sich, ihre eigene Meinung zu sagen.“ Scholz sagte, er habe mit Nawalny während dessen Zeit in Berlin gesprochen und „einen mutigen Mann kennengelernt, der zurückgekehrt ist nach Russland, weil er für die Demokratie kämpfen wollte, die Freiheit und den Rechtsstaat“.