Trotz Gerichtsentscheids: Israel setzt Militäreinsatz in Rafah fort
Ungeachtet der Aufforderung des Internationalen Gerichtshofs (IGH), den Militäreinsatz in Rafah unverzüglich zu beenden, sind Israels Streitkräfte in der südlichsten Stadt des Gazastreifens am Samstag aktiv geblieben.
Israelische Soldaten töteten mehrere palästinensische Bewaffnete, die zuvor auf die Israelis geschossen hatten, teilte die Armee am Samstag mit. Zudem habe man in Rafah weitere Waffenlager und Tunnelschächte gefunden.
Ein Zivilist soll ums Leben gekommen sein
Bei einem israelischen Luftangriff sei in Rafah ein Zivilist ums Leben gekommen, berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA unter Berufung auf Krankenhausmitarbeiter. Alle Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Der IGH hatte Israel am Freitag zu einer sofortigen Beendigung des Militäreinsatzes in Rafah verpflichtet. Mit der Entscheidung entsprach das höchste Gericht der Vereinten Nationen in Den Haag einer Forderung Südafrikas. Nach Auffassung der Richter ist die humanitäre Lage in Rafah inzwischen desaströs. Zusätzliche Maßnahmen seien nötig, um weiteren Schaden für die Zivilbevölkerung abzuwenden.
In der Flüchtlingssiedlung Jabalia geht es hoch her
Der Schwerpunkt der Kämpfe lag wie schon in den vergangenen Tagen in der Flüchtlingssiedlung Jabalia im Norden des Gazastreifens. Israelische Soldaten töteten nach Darstellung der Armee in den letzten 24 Stunden Dutzende feindliche Kämpfer, teils im Nahkampf, teils durch gezielte Luftangriffe. Die israelischen Truppen zerstörten demnach Raketenabschussstellungen und Tunnelschächte und fanden eine große Zahl an Waffen.
Unterdessen forderte Spanien Israel auf, die angeordnete Beendigung des Einsatzes umzusetzen. Diese Maßnahmen seien obligatorisch, betonte Außenminister José Manuel Albares am Samstag auf der Nachrichtenplattform X, vormals Twitter. Madrid fordere "auch einen Waffenstillstand, die Freilassung der Geiseln und humanitären Zugang. Das Leiden der Menschen im Gazastreifen und die Gewalt müssen ein Ende haben".
Spanien gehört seit langem zu den schärfsten Kritikern in Europa am militärischen Vorgehen Israels in Gaza. Die linke Regierung in Madrid hatte bereits kurz nach dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel und dem Beginn der Militäraktionen in Gaza alle Waffenexporte nach Israel ausgesetzt. Am Mittwoch folgte die Ankündigung Spaniens, Norwegens und Irlands, einen palästinensischen Staat anerkennen zu wollen. Die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu reagierte empört und bestellte die Botschafter der drei Länder ins Außenministerium ein, um ihnen eine Rüge zu erteilen.
Der diplomatische Konflikt zwischen Madrid und Tel Aviv spitzte sich am Freitag weiter zu, als Israel Einschränkungen für die Arbeit spanischer Diplomaten in dem Land verkündete. Demnach ist es der spanischen Botschaft in Tel Aviv und dem Generalkonsulat in Ost-Jerusalem künftig untersagt, ihre Dienste für Palästinenser aus dem von Israel besetzten Westjordanland anzubieten. Begründet wurde diese Maßnahme mit einer Äußerung der spanischen zweiten stellvertretenden Ministerpräsidentin Yolanda Díaz, die Außenminister Israel Katz als antisemitisch einstufte.
Die Politikerin hatte in einem auf X geposteten Video am Ende gesagt: "Palästina wird frei sein vom Fluss bis zum Meer." Mit dem Satz ist gemeint, es solle ein freies Palästina geben auf einem Gebiet vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer - dort, wo sich jetzt Israel befindet. Die Formulierung ist umstritten, weil sie den palästinensischen Hoheitsanspruch ausdrückt und Israels Existenzrecht verneint.
Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1.200 Toten, das Terroristen der islamistischen Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer und der katastrophalen Lage im Gazastreifen steht Israel international in der Kritik.