Moskau wirbt für Ende des "Sanktionskrieges"
Von Stefan Schocher
Politikerreden bei der UN-Vollversammlung bieten für gewöhnlich die internationale Bühne zu Rundumschlägen im nationalen Interesse – mit entsprechend breiter Fächerung der Themen: Umso bemerkenswerter der monothematische Auftritt von Russlands Außenminister Sergej Lawrow. Im entferntesten drehte sich alles dabei um die Ukraine. Schlussfolgerung: Die USA, EU und NATO seien schuld an der Krise in der Ukraine. Gewalt sei anders als in Russland im Westen zur Normalität geworden. Den USA warf er eine Militarisierung der Außenpolitik vor. Die Ukraine, so Lawrow, sei der "arroganten Politik" Washingtons "zum Opfer gefallen".
Zuvor hatte Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier Russland vorgeworfen, mit der gewaltsamen Veränderung bestehender Grenzen Völkerrecht verletzt zu haben. Es war dann ausgerechnet Chinas Außenminister Wang Yi, der besänftigte und zu mehr diplomatischen Bemühungen zur Beilegung der Krise aufrief.
Dem seit Monaten geltenden Gesetz der russischen Außenpolitik von kalt-warm entsprechend folgte der Brandrede Lawrows am Sonntag die Handlungsanleitung zur Beendigung der Kalamitäten. In einem TV-Interview bot Lawrow einen "Neustart" der Beziehungen zwischen Russland und den USA und sagte, Russland hege kein Interesse an einer Fortsetzung des "Sanktionskrieges". Soll heißen: Aus Sicht Moskaus war der Krieg in der Ukraine ein unangenehmes – und vor allem nicht von Russland begonnenes – Intermezzo und ist jetzt zu Ende.
Aus Sicht Kiews ist er es nach dem Verlust der Krim und weiter Teile im Osten naturgemäß ganz und gar nicht. Wie es die EU mit der Ukraine hält, soll am Dienstag in Brüssel besprochen werden. Da steht bei einem Treffen der EU-Botschafter eine Überprüfung der Sanktionen gegen Russland an. Und so viel war klar: Um neue Sanktionen wird es dabei nicht gehen.
Letztlich hängt alles an der nach wie vor brüchigen Waffenruhe. Während die Separatisten in der Ostukraine bereits Wahlen für Anfang November vorbereiten und damit die von Kiew angebotene zeitlich begrenzte Teilautonomie ausschlugen, kam es am Sonntag zu neuen Gefechten um den Flughafen von Donezk. Beide Seiten beschuldigten einander, angefangen zu haben.
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) wird am Mittwoch zu einem Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko nach Kiew reisen. Begleitet wird er von Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, wie das Kanzleramt am Sonntag gegenüber der APA bestätigte. Leitl fahre mit, weil Österreichs Wirtschaft von der Ukraine-Krise stark betroffen sei.
Das Gespräch mit Poroschenko sei ebenso wie das vor eineinhalb Wochen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin geführte Telefonat, bei dem Treffen Faymanns mit der designierten EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini in Rom, vereinbart worden. Eine Botschaft Putins werde Faymann allerdings nicht übermitteln, vielmehr gehe es darum die EU-Friedensbemühungen zu unterstützen.
Außerdem sei auch ein Treffen mit österreichischen Wirtschaftstreibenden in der Ukraine in der Botschaft geplant. Am Mittwochabend werde die Delegation wieder zurück nach Wien fliegen.