Interimspräsident von Militär vereidigt
Adli Mansur, Präsident des Verfassungsgerichts, ist in Kairo als Übergangspräsident von Ägypten vereidigt worden. Bis heute kannte kaum jemand den 67 Jahre alten Juristen. Bis zu den Neuwahlen wird Mansur im Amt sein. Er soll an der Spitze einer parteiübergreifenden Übergangsregierung stehen. Deren Zusammensetzung ist allerdings noch nicht bekannt. Dieses Kabinett soll Neuwahlen für die Präsidentschaft und das Parlament vorbereiten sowie Verfassungsänderungen ausarbeiten. Als Favorit für das Amt des Regierungschefs wurde vorerst ein Mann gehandelt, der schon am Beginn der Revolution im Zentrum der politischen Ereignisse stand: Mohammed ElBaradei. Nach ersten Informationen aus dem engsten Kreis rund um die Militärführung gilt der frühere hochrangige UN-Diplomat derzeit als Favorit: „ElBaradei ist unser erste Wahl.“ Er habe international einen guten Ruf und sei auch bei vielen Islamisten anerkannt.
Mursi unter Hausarrest
Muslimbrüder im Visier
Zudem wurde am Donnerstag auch der Chef der islamistischen Muslimbruderschaft verhaftet. Mohammed Badie und sein Stellvertreter Khairat al-Shater seien zur Fahndung ausgeschrieben worden. Ihnen wird "Anstiftung zur Tötung von Demonstranten" vorgeworfen. Sicherheitskräfte nahmen schon zuvor zwei bekannte Muslimbrüder fest. Dabei handle es sich um den Führer der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit - des politischen Arms der Muslimbrüder - Saad al-Katatni, sowie den stellvertretenden Chef der Muslimbrüder, Rashad Bajumi, hieß es. Zusätzlich soll die Festnahme von 300 weiteren Muslimbrüdern vorbereitet werden. Ein Vertreter des Innenministeriums in Kairo bestätigte, es werde mit Haftbefehl nach Mitgliedern der Muslimbrüder gesucht. Viele der Verhafteten sitzen nun im Gefängnis Tora - in jener Einrichtung, in der auch Hosni Mubarak ist.
Übergangsregierung nach Staatsstreich
Die Armeeführung hatte Mursi am Mittwochabend entmachtet. Der Staatsstreich hatte gut eine Stunde nach Ablauf des Ultimatums der Streitkräfte begonnen. Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sisi kündigte in einer Fernsehansprache neue Präsidentschaftswahlen an, sowie die Aufhebung der im Vorjahr beschlossenen, von den Islamisten ausgearbeiteten Verfassung. "Die Armee will nicht an der Macht bleiben", versicherte Al-Sisi. Der politische Fahrplan sei mit Politikern und anderen öffentlichen Personen beschlossen worden.
In Kairo wurde die Ankündigung von vielen mit Freudenkundgebungen begrüßt. Auf dem Tahrir-Platz, wo sich Zehntausende Mursi-Gegner versammelt hatten, feierten die Menschen schon in den frühen Abendstunden den Abgang des Präsidenten. Die Anhänger Mursis wollen hingegen seine Entmachtung nicht hinnehmen. Für Freitag planen sie eine Demonstration gegen den Staatsstreich.
Mursis Kaserne umstellt
Blutvergießen verhindert
Ägyptens Salafistenpartei Al-Nur hat die Entscheidung des Militärs zur Entmachtung Mursis verteidigt. Die staatliche Zeitung Al-Ahram zitierte den Generalsekretär der Partei mit den Worten: "Wir hatten einen Punkt erreicht, an dem ein Bürgerkrieg drohte."
In der Stadt Marsa Matruh im Nordwesten des Landes kam es dennoch zu Zwischenfällen mit Todesopfern. Bei Zusammenstößen zwischen Mursi-Anhängern und Sicherheitskräften kamen rund 14 Menschen ums Leben, zehn wurden verletzt.
Der Präsident des obersten ägyptischen Verfassungsgerichts Adli Mansur war gerade mal zwei Tage im Amt, als er vom Militär zu noch größeren Aufgaben berufen wurde. Nun ist er zum Interimspräsidenten des Landes am Nil vereidigt worden. Bis dahin kannte kaum jemand in Ägypten den 67 Jahre alten Juristen.
Adli Mansur ist seit 1992 am Verfassungsgericht tätig, zuletzt war er Vizepräsident. Der Jurist hat unter anderem die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die erste freie Präsidentschaftswahl 2012 in Ägypten miterarbeitet, aus der der Kandidat der Muslimbruderschaft, Mohammed Mursi, als Sieger hervorging.
Im Mai dieses Jahres wurde Mansur von Staatschef Mursi für die Nachfolge Maher al-Behairis am obersten Verfassungsgericht bestimmt - mit Zustimmung einer Generalversammlung der Richter. Al-Behairi ging Ende Juni in den Ruhestand.
Nach dem geltenden Recht musste Mursi einen der drei am längsten amtierenden Stellvertreter des Gerichts für das hohe Amt auswählen. Die Zustimmung der Vollversammlung war zwingend. Vor dem Arabischen Frühling 2011 konnte der ägyptische Präsident noch selbst frei entscheiden, wen er auf diesen Posten setzt.
Adli Mansur wurde im Dezember 1945 in Kairo geboren. Er studierte dort Jus; ein Stipendium ermöglichte ihm später weitere Studien in Paris. Schon unter Langzeitpräsident Hosni Mubarak arbeitete der Jurist für die ägyptischen Justizbehörden. Zwischenzeitlich war er einige Jahre als Berater in Saudi-Arabien. Mansur ist verheiratet, hat zwei Söhne und eine Tochter.
„Militärputsch“ rufen die Anhänger der Muslimbrüder – „der nächste Schritt der Revolution“ ist es für die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz. Doch der Nahostexperte Stephan Roll von der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik ist sich sicher: „Es handelt sich um einen Militärputsch.“ Allerdings mit der „Besonderheit, dass weite Teile der Bevölkerung die Entwicklung begrüßen.“ Die Ägypter seien zwar nicht in erster Linie gegen die Ideologie der regierenden Muslimbrüder gewesen. „Sie waren unzufrieden mit der schlechten Regierungsführung und den steigenden Preisen für Benzin und Lebensmittel.
Was bei all dem Jubel über das Ende der Ära Mursi nach nur einem Jahr nicht vergessen werden darf, ist, dass weiter ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung hinter den Muslimbrüdern steht. „Das ist keine kleine Gruppe. Die Muslimbrüder haben eine lange Geschichte, haben sich oft gewandelt, auch durchaus dazugelernt. Die Organisation wird jetzt nicht zerfallen, dafür ist sie zu gut aufgestellt“, glaubt Roll. Aber jetzt wo die Führungskader verhaftet worden seien – von bis zu 300 Festnahmen ist die Rede – müsse die Organisation erst einmal versuchen, ihre Reihen zu schließen und nach einer Führung suchen.
„Sie wird sich auf jeden Fall wieder formieren, aber jetzt ist die große Frage, ob sie sich dem formalen politischen Prozess verweigern wird.“ Denn die Mitglieder sind schwer enttäuscht worden. „In der Wahrnehmung ihrer Anhänger ist es so: Die Muslimbrüder waren demokratisch gewählt worden und wurden nun durch einen Putsch ihrer legitimen Macht beraubt. Auch wenn sie massive Fehler gemacht haben – das scheint nicht fair.“
Ein Jahr mag kurz erscheinen, um die politische Leistung des demokratisch gewählten Präsidenten zu beurteilen, aber die Geduld des einfachen Mannes sei eben begrenzt. Mursi hätte ein Stück weit auf Macht verzichten müssen, die Muslimbrüder hätten mit anderen Kräften zusammenarbeiten müssen.
Eine schleichende Radikalisierung sei nicht auszuschließen, vor allem unter der Jugend und anderen befreundeten Gruppierungen, etwa der Gama'a al-Islamiyya. Zwar hat sich etwa die größte Salafistenpartei („Al Nour“) dem Militär angeschlossen, jedoch ist nicht klar, wie deren Basis auf diese Entscheidung der Parteiführung reagieren wird.
Auf jeden Fall ist jetzt eine programmatisch-ideologische Debatte zu erwarten, wie sich die Islamisten positionieren werden. Doch die Situation kann auch eine Eigendynamik annehmen. Vor allem jüngere Mitglieder, die sich marginalisiert fühlen, könnten sich zu radikalen Gruppen formieren.
Ob der Militärcoup auf dem Weg zur Demokratie ein Rückschritt ist, sei nach einem Tag schwer zu beurteilen, sagt Roll. Die Situation sei in jedem Fall „offen“. Alles hänge davon ab, ob jene Kräfte, die aus der Macht gedrängt wurden, sich jetzt wieder integrieren lassen. Ohne sie wird ein Fortschritt in Richtung Demokratie nur schwer möglich.
Wer in Ägypten von „Militär“ spricht, meint nicht bloß bewaffnete Streitkräfte. Der SCAF (Supreme Council of the Armed Forces – Oberster Militärrat) hat in dem größten arabischen Staat eine besondere Machtstellung. Nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich.
Als Ägypten 1978 mit Israel und den USA das Camp-David-Abkommen unterzeichnete, war das quasi eine „Kastration“ des Heeres. Kämpfen durften die Streitkräfte seither nicht mehr. Als Entschädigung wurde der ägyptischen Armee von den USA eine gewaltige Militärhilfe ausgestellt. 1,3 Milliarden Dollar erhält sie bis heute jährlich.
Zudem bekamen die Streitkräfte – die über rund eine Million Mitglieder verfügen – Konzessionen für den Bau von Einkaufszentren, umzäunten Städten in der Wüste und Strandhotels, die sie bis heute betreiben. Damit kontrolliert das Militär mittlerweile ein Wirtschaftsimperium, das laut Schätzungen zwischen fünfzehn und vierzig Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes einbringt. Genau beziffern kann man das nicht, weil der Militärapparat extrem intransparent ist.
Mindestens 30 Großbetriebe mit insgesamt weit mehr als 100.000 Beschäftigten gehören laut Aufzeichnungen der Stiftung Wissenschaft und Politik dem ägyptischen Militär. Für viele aktive und ehemalige Offiziere bietet das lukrative Nebentätigkeiten. Die Betriebe fertigen, obwohl sie dem Ministerium für Militärproduktion, der Arab Organisation for Industrialisation und der National Service Production Organisation unterstellt sind, nicht nur militärische Produkte an. Hinzu kommen zivile Produkte wie Nahrungsmittel und technische Geräte, Landwirtschaft, Baugewerbe, Bergbau und Gesundheit.
Das Militär wurde so zu einer gut organisierten Interessensgruppe in der nationalen Wirtschaft. Viele bezeichnen es als Staat im Staat. Die Angst, dass eine neue Regierung sein Wirtschaftsimperium zerschlagen könnte, war seit dem Sturz Hosni Mubaraks immer da.
Nach der Entmachtung des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi haben die USA ihr Botschaftspersonal in Ägypten zur Ausreise verpflichtet. Nur "unentbehrliche Mitarbeiter" dürften in dem Land bleiben, teilte das US-Außenministerium am Mittwoch in Washington mit. Gleichzeitig veröffentlichte es eine aktualisierte Reisewarnung. Demnach sollten US-Bürger, die in dem Land leben, ausreisen. Reisen nach Ägypten sollten vermieden werden.
Die USA hatten bereits zuvor ihre Botschaft in Kairo und das Generalkonsulat in Alexandria geschlossen. Bisher war dem Personal aber nur nahegelegt worden, mit seinen Familien das Land verlassen, bis sich die Lage dort wieder beruhigt habe. Unklar ist, ob die Diplomaten mit normalen Linienflugzeugen und Passagierschiffen reisen können oder etwa auf Hilfe vom US-Militär angewiesen sind. Für Reisende werde es keine speziellen Charterflüge geben.
Hilfsgelder stehen auf dem Spiel
US-Präsident Barack Obama hat sich indessen mit ranghohen Mitgliedern seines Nationalen Sicherheitsrates getroffen. Neben anderen seien Verteidigungsminister Chuck Hagel, der Generalstabschef Martin Dempsey und der Direktor des Geheimdienstes CIA, John Brennan, am Mittwoch bei dem Treffen im Weißen Haus gewesen, berichteten US-Politikreporter per Twitter. In einem vom Weißen Haus veröffentlichten Statement erklärte Obama, die USA seien "zutiefst besorgt" über die Entscheidung der ägyptischen Armee, Pärsident Mursi ab- und die ägyptische Verfassung auszusetzen. Das Militär solle nun sicherstellen, dass die Rechte der ägyptischen Bürger nicht verletzt werden und Gewalt vermeiden. "Die Stimme all jener, die friedlich protestiert haben, muss gehört werden", so Obama, " - einschließlich derer, die die heutigen Entwicklungen begrüßt, und diejenigen, die Präsident Morsi unterstützt haben."
Obama warnte vor "willkürlichen Festnahmen" Mursis und seiner Anhänger. Die USA ordneten die Evakuierung ihrer Botschaft in Kairo an und rieten US-Bürgern von Reisen nach Ägypten ab. Desweiteren will sich die US-Regierung in den nächsten Tagen ein genaues Bild der Vorkommnisse in Ägypten machen. Sollten die USA diese als Militärputsch definieren, könnte dies juristisch ein Stopp von Hilfsgeldern an Ägypten erforderlich machen.
Großbritannien
Großbritanniens Außenminister William Hague sicherte der neuen Führung in Ägypten zwar die Zusammenarbeit Großbritanniens zu. Aber auch Hague kritisierte die Absetzung Mursis. Großbritannien erkenne Staaten an, weniger einzelne Regierungen. "Wir müssen mit jedem zusammenarbeiten, der an der Macht ist", sagte Hague am Donnerstag. "Ich verurteile immer militärische Interventionen in ein demokratisches System, und hier handelt es sich um eine militärische Intervention in ein demokratisches System", sagte Hague.
Spindelegger: "Militärintervention nicht akzeptabel"
VP-Außenminister Michael Spindelegger appellierte an das Militär schnell die Abhaltung von Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu organisieren und damit den Übergang zu einer demokratisch gewählten Regierung zu ermöglichen. "Die Absetzung des demokratisch gewählten Präsidenten Mursi durch das Militär ist sehr bedenklich. Eine Militärintervention als Weg zur Konfliktlösung ist in einem demokratischen System nicht akzeptabel", erklärte Spindelegger.
EU fordert rasche Rückkehr zur Demokratie
Auch die Europäische Union blickt mit Sorge nach Kairo. EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte in der Nacht zum Donnerstag alle Beteiligten auf, rasch zu einem demokratischen Prozess mit der Abhaltung von freien und fairen Präsidentschafts-und Parlamentswahlen sowie der Verabschiedung einer Verfassung zurückzukehren.
Sie verfolge die Entwicklung in Ägypten aufmerksam und sei sich der tiefen Spannungen in der Bevölkerung sowie der Forderungen nach einem politischen Wandel bewusst, erklärte Ashton. Sie hoffe, dass die Übergangsregierung in Kairo alle politischen Strömungen mit einschließen und Menschenrechte sowie rechtsstaatliche Prinzipien achten werde.
UNO: "Besorgniserregend"
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat sich besorgt über das Eingreifen der ägyptischen Armee zum Sturz von Präsident Mohammed Mursi gezeigt. Bei Demonstrationen hätten die Ägypter in den vergangenen Tagen "tiefe Frustration und legitime Sorgen" zum Ausdruck gebracht, erklärte Ban in der Nacht zum Donnerstag. Gleichzeitig sei jegliche "Einmischung des Militärs in die Angelegenheiten eines Staates besorgniserregend", betonte der UN-Generalsekretär. Es sei wichtig, die zivile Ordnung in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Demokratie rasch wiederherzustellen.
Frankreich begrüßt Neuwahlen
Frankreichs Außenminister Laurent Fabius begrüßte die Ankündigung von Neuwahlen durch die Armeeführung. Der saudi-arabische König Abdullah gratulierte dem designierten Interims-Staatschef Mansur und beglückwünschte das Militär für seine "Weisheit" im Bemühen um eine Lösung der Krise in Ägypten.
Mit 51,7 Prozent hat Mohammed Mursi die erste freie Wahl in Ägypten gewonnen. Auch wenn die Wahlbeteiligung denkbar niedrig war, wurde er somit der erste demokratisch legitimierte Präsident des 85-Millionen-Einwwohner-Staates. Ein Jahr nach seiner Angelobung am 30. Juni 2012 schien das sein einziges Argument geblieben zu sein, das Land zu regieren.
Denn viele ehemalige Anhänger haben sich seinen Gegnern angeschlossen, die Unterschriften für seinen Rücktritt sammelten. 22 Millionen Unterstützer fand die Tamarod-Bewegung. Sie werfen dem Mann, der ein Jahr Präsident war, vor, an der Kriminalität schuld zu sein, an der Arbeitslosigkeit, Stromausfällen, der Benzinkrise und an hohen Lebensmittelpreisen.
Mursi habe weder wirtschaftliche, noch soziale Probleme gelöst, aber das Land gleichzeitig einer schleichenden Islamisierung ausgesetzt, finden liberale Ägypter.
Nur zwei Monate nach seiner Angelobung hatte das ausgetretene Mitglied der Muslimbrüder mittels schwerst umstrittenen Dekret Kompetenzen an sich gerissen, später das Verfassungsgericht beschnitten und im Eilverfahren eine islamistische Verfassung durchgepeitscht. Zwar gab er die umstrittenen Sondervollmachten im Dezember wieder auf, Proteste – vor allem der liberalen Ägypter – rissen aber nicht mehr ab. Mit ca. 14 Millionen Demonstranten erreichten sie am Jahrestag ihren Höhepunkt.
Die ägyptische Armee ist im Staat fest verwurzelt. Seit 60 Jahren ist sie einer der Hauptakteure auf der politischen Bühne des Landes. Alle Amtsvorgänger des nun gestürzten ersten zivilen Präsidenten Mohammed Mursi seit dem Ende der Monarchie 1952 kamen aus ihren Reihen: Mohammed Nagib, Gamal Abdel Nasser, Anwar al-Sadat und Hosni Mubarak.
Als Mubarak auch nach wochenlangen Protesten im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings Anfang 2011 noch an seinem Stuhl klebte, waren es schließlich aber die Militärs, die den Ausschlag zugunsten der Rebellion gaben, indem sie ein gewaltsames Vorgehen gegen die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Kairo verweigerten.
Nach dem Sturz Mubaraks hielt zunächst der Oberste Militärrat unter Marschall Hussein Tantawi die Zügel fest in der Hand. Nach der anfänglichen Begeisterung der Bevölkerung über die Rolle der Armee während der Rebellion warf die Opposition Tantawi vor, die autoritären Herrschaftsstrukturen beizubehalten und für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich zu sein.
Auch nach der Einleitung eines demokratischen Übergangs ließ die Armee nur langsam von der Macht. Mitte August 2012 entschied der im Juni gewählte Mursi den Machtkampf für sich und schickte Tantawi in den Ruhestand.
"Nationale und moralische Pflicht"
Die Schlüsselfigur derzeit ist General Abdel Fattah al-Sissi, zugleich Armeechef und Verteidigungsminister unter Mursi. In der vergangenen Woche versicherte al-Sissi, das Militär werde Ägypten nicht ins Chaos treiben lassen. Es sei "nationale und moralische Pflicht der Armee, konfessionelle Gewaltausbrüche und einen Zusammenbruch der staatlichen Institutionen zu verhindern". Die Armee selbst will nach Angaben von ägyptischen Politikwissenschaftlern nicht noch einmal unmittelbar die Macht übernehmen, sondern nur für einen geordneten Übergang sorgen.
Das Offizierskorps dürfte zu einer der wohlhabendsten Gesellschaftsgruppen in Ägypten zählen. Im Dienst oder bereits in Rente kontrollieren die Generäle große Teile der Wirtschaft - von Immobilien über Zementfabriken bis hin zu Mineralwasserabfüllern. Zudem sind die Streitkräfte finanziell durch den Staat und das Ausland bestens gerüstet. Die USA päppeln die ägyptische Armee mit Ausrüstung und 1,3 Milliarden Dollar (rund eine Milliarde Euro) jährlich.
30. Juni 2012: Mursi wird nach seinem Wahlsieg, bei dem er 51,7 Prozent der Stimmen errungen hatte, als Präsident vereidigt.
12. August 2012: Mursi schränkt die Befugnisse des seit dem Sturz des früheren Machthabers Hosni Mubarak regierenden Militärs deutlich ein und entlässt Armeechef Hussein Tantawi.
22. November 2012: Mursi erklärt seine Entscheidungen mit einem Verfassungszusatz für rechtlich unanfechtbar und entlässt Generalstaatsanwalt Abdel Meguid Mahmud.
30. November 2012: Die von Islamisten dominierte und von der Opposition boykottierte Verfassungskommission verabschiedet den umstrittenen Entwurf für eine neue Verfassung.
8. Dezember 2012: Mursi setzt nach massivem Druck das umstrittene Dekret über die Ausweitung seiner Befugnisse wieder außer Kraft.
15. und 22. Dezember 2012: Die neue Verfassung wird in einer Volksabstimmung bei einer Wahlbeteiligung von einem knappen Drittel mit fast 64 Prozent der Stimmen angenommen, es folgen Massenproteste mit teils tödlicher Gewalt.
24. Jänner 2013: Zum zweiten Jahrestag des Aufstands gegen Mubarak erreicht die Gewalt einen neuen Höhepunkt, binnen einer Woche werden fast 60 Menschen getötet.
7. Mai 2013: Mursi bildet sein Kabinett um, kann die Opposition aber nicht besänftigen.
2. Juni 2013: Das Oberste Gericht erklärt den von Islamisten beherrschten Senat für verfassungswidrig, Mursi verfügt jedoch dessen Fortbestehen bis zur Wahl eines neuen Parlaments.
4. Juni 2013: Die Justiz verurteilt 43 in- und ausländische Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen, darunter der CDU-nahen deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung, wegen illegaler Aktivitäten zu teils mehrjährigen Haftstrafen, es folgen internationale Proteste.
21. Juni 2013: Zehntausende Menschen gehen zur Unterstützung Mursis auf die Straße.
23. Juni 2013: Die Armee droht mit einem militärischen Eingreifen, sollten die Proteste eskalieren.
28. Juni 2013: Nach der Tötung eines US-Bürgers bei Protesten erlaubt die US-Regierung einem Teil ihres Botschaftspersonals die Ausreise aus Ägypten.
29. Juni 2013: Das Oppositionsbündnis Tamarod erklärt, mehr als 22 Millionen Unterschriften für einen Rücktritt Mursis gesammelt zu haben.
30. Juni 2013: Zu Mursis erstem Amtsjubiläum demonstrieren Millionen Gegner und fordern seinen Rücktritt. Zeitgleich finden Solidaritätskundgebungen für Mursi statt. Mindestens sechs Menschen werden getötet.
1. Juli 2013: Demonstranten stürmen und verwüsten den zentralen Sitz der Muslimbruderschaft in Kairo, die Opposition setzt Mursi ein Rücktrittsultimatum bis zum Folgetag um 17.00 Uhr.
2. Juli 2013: Mursi lässt das Ultimatum der Opposition verstreichen. Ein zweites Ultimatum der mächtigen Armee zur Umsetzung der Forderungen der Demonstranten dauert einen Tag länger.
3. Juli 2013: Mursi weigert sich auch nach Ablauf des Ultimatums des Militärs zurückzutreten. Am Abend wird er dann von der Armee abgesetzt. Die umstrittene Verfassung wird ausgesetzt.