Politik/Ausland

Militärexperte: Einnahme von Kiew war für Russland nicht möglich

Es ist der 40. Tag seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Bereits seit 26. März sei klar, dass die russische Seite ihr Schwergewicht verlagere, sagt Militärstratege Generalmajor Günter Hofbauer in der ORF-Sendung ZIB 2. Derzeit könne man beobachten, dass Russland seine Truppen Richtung Süden versetzt.

Von russischer Seite wird behauptet, dass die ukrainische Hauptstadt Kiew gar nicht das primäre Angriffsziel gewesen sei, sondern man immer das Ziel gehabt hätte, den Donbass anzugreifen. Dies erscheint dem Experten jedoch wenig glaubhaft. "Im Wesentlichen haben die Kräfte für diesen Gesamtangriff nicht ausgereicht", sagt Hofbauer. 

Schließlich seien starke Truppen im Norden eingesetzt worden und von russischer Seite habe man auf einen schnellen Erfolg durch die Inbesitznahme der Hauptstadt gehofft. Dies konnte jedoch aufgrund des unerwartet großen ukrainischen Widerstands nicht erreicht werden. Infolgedessen sei man dazu übergegangen, die verfügbaren Kräfte zurückzuziehen und das Schwergewicht zu verlagern.

Richtung Süden

Doch ist der Großangriff auf die Hauptstadt damit abgesagt? "Aus unserer Sicht sind die Kräfte notwendig, um die Ziele im Süden zu erreichen", sagt Hofbauer. "Weil dort die Gefechte die russischen Streitkräfte so abgenützt haben, dass es notwendig war, Kräfte nachzuschieben." Offensichtlich musste die russische Seite einsehen, dass die Einnahme von Kiew nicht möglich war.

Das neue russische Ziel sei im Wesentlichen das südlichen Gebiet von Cherson über Mariupol und die Provinzen Donezk und Luhansk. Dieses relative große Gebiet ist bereits in russischer Hand. Hofbauer: "Wir gehen davon aus, dass hier Satellitenstaaten gebildet werden sollen und von militärischer Seite vor allem jene ukrainischen Kräfte abgeschnitten werden sollen, die noch an der Kontaktlinie halten bzw. in Mariupol Widerstand leisten."

Massaker von Butscha

Zum Massaker von Butscha sagt der Generalmajor, dass dies von außen unabhängig untersucht werden müsse und dann zu entscheiden sei, wie weiter vorzugehen ist. Aus den aktuellen Informationen sei jedoch davonauszugehen, "dass die russische Armee dafür verantwortlich ist".

Für einen Befehl von oben gäbe es aktuell jedoch keine Indikatoren. Stattdessen dürfte es zu "einer Verzweiflungssituation gekommen sein", bei der die Kommandanten auf allen Ebenen ausgelassen haben und ihre Truppen nicht mehr unter Kontrolle hatten.

Auf die Frage, wie lange der Krieg dauern könnte, antwortet Hofbauer, dass es durchaus möglich sei, dass es "zu einem frozen conflict kommt". Diesen herrsche auch schon in den letzten acht Jahren in Donezk und Luhansk.

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