Politik/Ausland

Chodorkowski: Straßburg übt leise Kritik an Moskau

Es ist eine Bestätigung für Moskau, aber sie hat zumindest Abstriche: Russland hat den inhaftierten Kremlkritiker und Ex-Öl-Manager Michail Chodorkowski in einem ersten Strafprozess 2005 zwar unfair behandelt, aber nicht aus politischer Willkür verurteilt. Der scharfe Gegner von Präsident Wladimir Putin scheiterte am Donnerstag erneut mit der angestrebten Anerkennung als politisch Verfolgter vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).

Kleinere Verstöße

Allerdings erkannten die Richter kleinere Rechtsverstöße in dem international kritisierten Fall an. Chodorkowskis Recht auf ein faires Verfahren sei verletzt worden. Sie sprachen dem einst reichsten Mann Russlands deshalb eine Entschädigung von 10.000 Euro zu. Russland nahm das Urteil "mit Genugtuung" auf. Es sei eine neue Bestätigung, dass die russische Justiz nicht wie von Chodorkowski behauptet vom Kreml gelenkt sei, sagte Andrej Fjodorow von der russischen Vertretung am EGMR.

Das Gericht hatte bereits im Oktober 2011 festgestellt, dass es keine Beweise für politische Motive gebe. Auch die jetzige Entscheidung behandelte jenen Prozess von 2004/2005 gegen Chodorkowski. Das Urteil in dem Verfahren lautete auf acht Jahre Straflager wegen Betrugs, Steuerhinterziehung und Veruntreuung. In einem zweiten Prozess erhielt der Putin-Gegner Ende 2010 zusätzlich wegen Öldiebstahls eine Gesamtstrafe von 14 Jahren Lagerhaft, die später reduziert wurde. Er soll im Oktober 2014 freikommen.

Politische Motivation

Die Frage nach der politischen Steuerung gilt als zentral für beide Seiten. Die EU und die USA hatten das Vorgehen gegen Chodorkowski wiederholt als politisch motiviert angeprangert. Die Hoffnungen des Kremlgegners richten sich nun vor allem auf eine Beschwerde gegen seinen zweiten Prozess.

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Seine Anwälte begrüßten die Straßburger Entscheidung. "Die Ungerechtigkeit des Verfahrens war derartig schwerwiegend, dass mit Blick auf die russische Gesetzgebung nun die Schuldsprüche aufgehoben und die Mandanten unverzüglich freigelassen werden müssen", sagte Verteidigerin Karina Moskalenko. Sie kritisierte allerdings, dass das Gericht in einer ersten Pressemitteilung von einer "gewichtigen Grundlage" der Vorwürfe schrieb, obwohl diese Formulierung so nicht im Urteil stehe. Das Gericht veröffentlichte am Abend eine Mitteilung, in der diese Formulierung so nicht mehr stand.

Überprüfung

Der Chef des Kreml-Menschenrechtsrats, Michail Fedotow, meinte, dass es für eine Aufhebung der Urteile gegen die Geschäftsmänner keine Gründe gebe. Lediglich Teile des Verfahrens könnten überprüft werden. Das Oberste Gericht hat für Anfang August eine Verhandlung zum Fall Chodorkowski angesetzt. Andere russische Menschenrechtler kritisierten den EGMR. "Das Urteil ist nicht nur mild, sondern auch feige", sagte die bekannte Aktivistin Ljudmila Alexejewa von der Moskauer Helsinki Gruppe der Agentur Interfax.

Die Organisation Amnesty International hat Chodorkowski und Lebedew als politische Gefangene anerkannt. Chodorkowski wirft Putin vor, aus Rache für seine Unterstützung der Opposition gegen ihn vorzugehen.

Die Straßburger Richter entschieden nun allerdings, ein Verstoß gegen Artikel 18 der Europäischen Menschenrechtskonvention und damit der Vorwurf eines politischen Verfahrens seien nicht zu erkennen. Die sieben Richter kritisierten, in dem Verfahren sei etwa die Vertraulichkeit zwischen Mandant und Anwälten nicht gewährleistet gewesen. Auch die Verlegung in ein entferntes Straflager in Sibirien habe gegen Menschenrecht verstoßen.

Die deutsche Bundesregierung verlangte die Freilassung des früheren Chefs des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos. Die Richter in Straßburg hätten erneut festgestellt, dass der 50-Jährige und sein Mitangeklagter Platon Lebedew "kein rechtsstaatliches Verfahren" bekommen hätten, sagte der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, einer Mitteilung zufolge. "Daher sollten die beiden unmittelbar freigelassen werden!", forderte er.