Politik/Ausland

"Bei Gold werden alle meschugge"

Die ganze Mischpoke ist am Start", steht auf der Plakatwand neben dem Hotel Estrel in Neukölln. Dort, im Berliner "Problembezirk", liegt das olympische Dorf, in dem die 2000 jüdischen Teilnehmer der European Maccabi Games untergebracht sind – ganz in der Nähe der Al-Nur-Moschee, die wegen ihrer gegen Israel hetzenden Prediger schon oft in den Schlagzeilen landete.

Neues Selbstverständnis

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Der Platz ist bewusst gewählt. Ebenso wie der Ort, an dem die Spiele selbst stattfinden. Die Wettkämpfe werden nämlich im Olympiastadion ausgetragen. Wo 1936 die Nazis die olympischen Sommerspiele inszenierten, treffen sich ab Mittwoch jüdische Sportler aus ganz Europa zum Kräftemessen. "Wir wollen ein Signal für ein neues deutsch-jüdisches Selbstverständnis setzen", sagt Alon Meyer, Präsident von MakkabiDeutschland.

Die Veranstaltung betritt damit Neuland, und das in jeglicher Hinsicht – erstmals seit ihrer Gründung vor mehr als acht Jahrzehnten finden die Spiele nämlich in Deutschland statt, dazu noch direkt in Berlin. Vor allem für jene Juden, deren Familien aus Deutschland vertrieben wurden oder deren Verwandte während der Nazi-Diktatur umgebracht worden sind, ist das keine Selbstverständlichkeit – aber auch Opfer des Holocaust werden im Rahmen der Spiele nach Berlin kommen. Man will zeigen, dass die neue jüdische Generation "sich hier wohl, gut und sicher fühlt", sagt Meyer.

Aufarbeitung

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Damit schließt man auch eine Lücke, die in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg gerne ignoriert wurde: Nämlich, dass es in Deutschland ein großes jüdisches Sportleben gegeben hat, bevor der Nationalsozialismus um sich griff. Versuche, darauf hinzuweisen, hat es wohl gegeben; allein – die Überbleibsel der Nazi-Zeit waren zu groß.

In den 1970ern etwa wollte der ehemalige Bundestrainer Sepp Herberger sein Idol Gottfried Fuchs nach München einladen. Fuchs war damals der einzige noch lebende jüdische Fußballer, der je für Deutschland in der Nationalmannschaft gespielt hatte; er war 1937 nach Kanada emigriert. Der DFB lehnte die Idee jedoch ab. Man hatte Bedenken, dass "ein Präzedenzfall geschaffen würde, der auch für die Zukunft noch erhebliche Belastungen mit sich bringen könnte". Im Präsidium saßen damals noch einige ehemalige NSDAP-Mitglieder, stellte sich Jahre später heraus.

Gedenk-Ausstellung

Heute bemüht man sich, die Fehler der Vergangenheit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Im Berliner Hauptbahnhof gedenkt man mit einer Ausstellung jener jüdischen Sportler, die unter Hitler vertrieben oder ermordet wurden. Man sieht dort Bilder von Helene Mayer, einer berühmten Fechterin, die als eine der wenigen jüdischstämmigen Sportlerinnen 1936 im Olympiastadion einlaufen durften; daneben Aufnahmen von Ralph Klein, der Auschwitz überlebte und Jahre später als Basketball-Bundestrainer nach Deutschland zurückkehrte.

Neben dem Blick in die Vergangenheit soll aber jener in die Zukunft stehen – deshalb gestalte man die Spiele so offen wie möglich, sagt Alon Meyer. Zwar hat man den Olympioniken im Vorfeld gesagt, sie sollen nicht in erkennbaren Gruppierungen durch Neukölln spazieren – also ohne Kippas –, große Bedenken haben die Organisatoren aber nicht. Man habe im Vorfeld auch das Gespräch mit muslimischen Verbänden gesucht. Ohnehin bewirbt man die Spiele mit viel sportlichem Witz,. "Bei Gold werden alle meschugge", lautet das Motto – und das gilt schließlich konfessionsübergreifend.