"Lügen haben auch bei uns kurze Beine"
Von Stefan Schocher
Maia Panjikidze ist Karrierediplomatin – seit Oktober 2012 ist sie Außenministerin Georgiens. Der KURIER traf sie in Wien zum Gespräch.
KURIER: Was für eine Art Nachbar ist Russland denn?Maia Panjikidze: Ein großer – in erster Linie. Ein schwieriger. Ein historischer – mit einer langen Vergangenheit der Beziehungen, die nicht immer leicht waren.Moskau hat die Regierung Georgiens als „pragmatisch“ gelobt. Ist das hilfreich? Im Wahlkampf wurde Premier Iwanischwili ja von Präsident Saakaschwili als pro-russisch beschimpft.
Saakaschwili hat keine anderen Argumente gehabt. Sein einziges Argument oder die einzige Strategie war, ein Schreckensbild von der Opposition zu malen. Man kann lügen – was Saakaschwili oft gemacht hat. Aber Lügen haben auch bei uns kurze Beine. Was die Äußerungen russischer Politiker angeht, so sind die weder hilfreich noch kontraproduktiv. Es wird nur eine Tatsache bestätigt.
An der georgischen Außenpolitik hat sich ja nichts geändert.
Die europäische und euro-atlantische Integration ist die höchste Priorität der Regierung. Das ist meine Überzeugung. Dass der einzige Weg der nach Europa ist. Ich bin überzeugt, dass Georgien Mitglied der europäischen Familie ist und werden kann. Auch formal. Was ist für Georgien so wichtig an der NATO? Mitunter scheint es, sie sei wichtiger als die EU.
So würde ich das nicht sagen. Beide sind wichtig. Es ist die Wahl des Volkes. Es sind Allianzen der Werte. Werte, die für die Entwicklung jedes Landes eine Rolle spielen sollten. Darüber hinaus bringen NATO und EU Sicherheit, Stabilität und Demokratie.Im Oktober sind Präsidentenwahlen. Was erwarten Sie?
Ich erwarte sehr viel. Zunächst einen fairen Wahlkampf, der nicht gekennzeichnet ist durch Maßnahmen, die die vorherige Regierung ergriffen hat. Dass niemand festgenommen wird, der politisch anders denkt – das kann ich garantieren. Dass niemand seine Arbeit verliert, weil er die Opposition unterstützt. Es werden alle die Möglichkeit haben, sich frei auszudrücken. Zu demonstrieren. Und letztendlich, dass der Wahlvorgang ohne Exzesse verlaufen wird.Was für eine Art Präsident war er denn – oder ist er noch?
Er war ein Präsident, der alles unter seine Kontrolle gebracht hat. Nicht nur seine Partei. Auch die sogenannte Opposition, die Medien, die Staatsanwaltschaft.War die Rosenrevolution der historische Bruchpunkt?
Die Rosenrevolution war ein Bruch. Und es gab sehr gute Ansätze. Ich will nicht sagen, dass in den vergangenen neun Jahren nichts passiert ist. Ich habe lange diese Politik mitgetragen. Und ich bin stolz darauf. Aber das bedeutet nicht, dass alles gut war. Es gab Fehler. Und leider gravierende.,
Georgien: Umfehdet und intern turbulent
Rosenrevolution 2003
Im Zuge des Sturzes von Präsident Schewardnadse kommt Michail Saakaschwili an die Macht, der einen radikalen West-Kurs einschlägt.
Krieg mit Russland 2008
Im Konflikt um die abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien kommt es 2008 zum Krieg mit Russland. Bis heute bestehen keine diplomatischen Beziehungen zu Moskau.
Parlamentswahl Oktober 2012
Saakaschwilis Partei verliert die Regierungsmehrheit. Die Wahl ist begleitet von massivem Vorgehen gegen die Opposition. Ende 2013 endet Saakaschwilis zweite Amtszeit als Präsident.