Politik/Ausland

Luxus-Insel für Zehntausende Russen

Morgendliches Getümmel im Rus-Market an der Strandpromenade von Limassol. Eine ältere, etwas pummelige Frau mit blondierten Löckchen in Badeschlapfen und Trainingsanzug kauft Kremelskoe Maslo (was so viel bedeutet wie Kreml-Butter), Kefir, Chleb (Brot) und Sir (Käse). Tratsch am Schalter mit der Kassiererin, während eine hochgewachsene junge Russin in einem schwarzen Kostüm zaghaft lächelnd die Milchprodukte separat in kleine Plastiksäckchen packt – so, wie das in jedem Supermarkt in Russland, der Ukraine oder Weißrussland getan wird (und eigentlich nur dort) –, um danach alles in einem größeren Sack zu verstauen. Die Frau stopft noch eine russische Illustrierte dazu, von deren Cover irgendein russischer Schlagerstar grinst. „Alles Liebe Ihnen und einen schönen Gruß an Masha und die Kinder“, sagt die Kassiererin. „Danke, man sieht sich.“

Gleich neben dem Rus-Market ist ein „Salon Krasoti“ – ein Beauty-Salon. Zwei Läden weiter ein Laden mit der Aufschrift „Knigi“ – ein russischer Buchladen. Und gegenüber auf der anderen Straßenseite ist ein Pelzgeschäft, das in russisch-kyrillischen Lettern mit Sonderangeboten lockt. Die Läden beleben das Erdgeschoß mehrstöckiger Appartementblocks in denen – so sagt ein Mann vor dem Rus-Market – fast ausschließlich Russen, Ukrainer und Weißrussen leben.

Offiziell leben auf Zypern dauerhaft knapp 11.000 Russen. Schätzungen gehen aber von bis zu 100.000 aus. Und viele besitzen eine Wohnung auf der Insel, manche eine Villa und kommen nur hie und da vorbei, wenn es sich ergibt. Die Hälfte der Russen findet man in „Limassolgrad “ – wie manche Limassol bereits scherzhaft nennen. Die Küstenstadt ist ein Finanzzentrum, Heim zahlreicher Banken, auf denen Milliarden russischer Gelder liegen und Sitz russischer Offshore-Firmen. Aber nicht nur das. Es ist Wahlheimat Tausender Russen. Es gibt russische Schulen, Kindergärten und eine russisch-sprachige Radiostation. Ein kleiner russischer Traum auf Zypern.

Jana Lagus arbeitet bei Russian Wave, der Russischen Welle, dem Radio der russischen Community in Limassol. „Viele machen Geschäfte hier, haben viel Geld hier veranlagt“, sagt sie über die russische Community. Vor allem aber fühlten sich die Russen hier wohl. „Es ist ein orthodoxes, ein recht gläubiges Land, es gibt wenige Differenzen zwischen den Zyprioten und den Russen, und natürlich spielt das Wetter eine Rolle.“

Russian Wave berichtet ausführlich über die zypriotische Finanzkrise. „Die Leute machen sich Sorgen“, sagt Jana Lagus. Einigen drohe der Verlust großer Vermögen – in überwiegendem Maß legal erworbenes und einfach nur steuerschonend veranlagtes Geld, wie sie betont. „Reiche Leute sind einfach deshalb reich, weil sie gut Geld zählen können“, sagt sie grinsend. Und natürlich seien die meisten Russen gegen die umstrittene Steuer auf ihre Einlagen. So wie die Zyprioten.

Bis auf kleine Seitenhiebe, Meldungen, die Russen, die jetzt versuchen würden, ihr Geld abzuziehen, seien „Aasgeier“, verliert kaum ein Zypriot ein schlechtes Wort über die Russen. Eher lakonisch wird bemerkt, dass die Bordelle des Landes derzeit voll seien mit russischen Unternehmern, die sich dort die Zeit bis zur Wiederöffnung der Banken vertrieben. Aber viel eher hört man schlicht die geäußerte Hoffnung, dass die Osteuropäer ihr Geld nicht abziehen werden.

Sichtlich gezeichnet von der Nacht zuvor, die sich in die späteren Morgenstunden gezogen haben dürfte, sitzt ein Mann um die 40 am Strand von Limassol. Er hat seine hellbraune Lederjacke ausgebreitet und sich darauf gesetzt. Frauen in engen Fitness-Outfits joggen vorbei. Als eine Sportlerin stehen bleibt, um sich zu dehnen, sagt er auf Russisch, deutlich lallend und um einiges zu laut: „Super“ – und erntet dafür einen verächtlichen Blick. Er war als Gärtner eines reichen Russen vor drei Jahren aus Südrussland gekommen. Dann war er Taxifahrer. Heute schlägt er sich als Tagelöhner durch. Aus seinem zyprischen Traum ist nichts geworden. Sein Finanzzentrum ist die Hosentasche. Und deren Inhalt reicht heute gerade für ein mageres Katerfrühstück.