Asselborn verteidigt Forderung nach Ungarn-Ausschluss
Der Vorstoß des Luxemburger Außenminister Jean Asselborn, Ungarn aus der EU auszuschließen, stößt bei seinen europäischen Kollegen auf große Ablehnung. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) ist wie Frank-Walter Steinmeier, deutscher Außenminister, auf Distanz zur Forderung gegangen. "Ich kann dieser Aussage sehr wenig abgewinnen", sagte Kurz. Steinmeier: "Es ist jetzt nicht meine persönliche Haltung, einem europäischen Mitgliedsstaat die Tür zu weisen. Wir müssen uns den komplizierten Debatten, die es da manchmal gibt, auch stellen." Der lettische Außenminister Edgars Rinkevics bezeichnete Asselborns Vorschlag als "Megaphon-Diplomatie". "Diese Rhetorik hilft uns nicht." Litauens Außenminister Linas Linkevicius meinte ebenfalls: "So radikale Statements sind nicht immer hilfreich."
Kurz: Es braucht "Respekt"
Für Außenminister Kurz müsse es in der Union möglich sein, "hart zu diskutieren". Aber einem Partner medial auszurichten, man wolle ihn nicht mehr dabeihaben, "trägt nicht zu einem Mehr an Miteinander bei". Ungarn sei ein europäischer Staat, EU-Mitglied und ein Nachbarlands Österreich. Es brauche "Respekt", um das "Friedensprojekt Europa" nicht zu gefährden, sagte Kurz.
Vor einigen Wochen hatte er Länder wie Ungarn oder Polen wegen ihrer Weigerung, die EU-Flüchtlingsquoten zu erfüllen, verteidigt. "Alleine mit der Verteilung wird man das Problem nicht lösen", erklärte der ÖVP-Politiker damals. Manche mitteleuropäischen EU-Länder sollten anderen Staaten nicht ihre Meinung aufzwingen, fügte Kurz hinzu, "bloß weil sie glauben moralisch überlegen zu sein".
Ungarns Außenminister: "Unernste Figur"
Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto hat Jean Asselborn als "unernste Figur" bezeichnet. "Er hat sich schon längst selbst aus der Reihe der ernst zu nehmenden Politiker ausgeschlossen", sagte Szijjarto. Man sehe, dass Asselborn nicht weit von Brüssel entfernt zu Hause ist, denn er sei "belehrend, arrogant und frustriert", fügte Szijjarto laut der staatlichen Nachrichtenagentur MTI hinzu. Ungarn schottet seine Südgrenze mit Stacheldrahtzäunen gegen Flüchtlinge ab. Zugleich lehnt es beschlossene und eventuelle künftige EU-Quoten zur Verteilung von Asylbewerbern über die EU-Mitgliedsländer strikt ab. Am 2. Oktober will der rechts-konservative Ministerpräsident Viktor Orban seine Ablehnungspolitik durch eine Volksabstimmung bestätigen lassen.
"Der Zaun, den Ungarn baut, um Flüchtlinge abzuhalten, wird immer länger, höher und gefährlicher. Ungarn ist nicht mehr weit weg vom Schießbefehl gegen Flüchtlinge."
Änderung des EU-Vertrags
Auch dem Ansehen Europas in der Welt würde dies schaden. "Typen wie Orban haben uns eingebrockt, dass die EU in der Welt dasteht wie eine Union, die sich anmaßt, nach außen Werte zu verteidigen, aber nach innen nicht mehr fähig ist, diese Werte auch aufrecht zu erhalten", sagte Asselborn weiter. "Und das in einem Land, aus dem 1956 hunderttausende Menschen vor den Sowjets nach Europa geflohen sind." Orban hatte Ende August die Errichtung eines zweiten Zauns zur Sicherung der Grenze zu Serbien angekündigt.
EU-Abgeordnete gegen Forderung Asselborns
Fast einhellig haben Österreichs EU-Abgeordnete die Forderung Asselborns abgelehnt. Vertreter von ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grünen waren dagegen, nur die NEOS-Abgeordnete meinte, sie könne der Forderung Asselborns "viel abgewinnen".
Der ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament, Othmar Karas, sagte, es sollte generell eine "verbale Abrüstung" in allen Fragen erfolgen. Wichtig sei, europäisches und internationales Recht zu erhalten. Damit die EU handlungsfähig ist, brauche es neue Instrumente. Aber "offen gesagt ist die Volksabstimmung in Ungarn am 2. Oktober im Widerspruch" zur innereuropäischen Solidarität. Der SPÖ-Europamandatar Eugen Freund sagte, "wir können Ungarn besser steuern, wenn es innerhalb der EU ist".
Asselborn verteidigt seine Forderung
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn verteidigt seine Forderung nach einem Ausschluss Ungarns aus der EU. "Es geht nicht gegen ein Volk oder gegen ein Land", sagte Asselborn der "Süddeutschen Zeitung" (Mittwoch). Die EU sei in größter Gefahr. "Unsere Gründungsväter und -mütter haben gewusst, dass man die Gemeinschaft nicht nur auf Strukturen, sondern auch auf Werten aufbauen muss", betonte er.
Vilimsky: "Zank und Hader"
Der FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky bemängelte generell "Zank und Hader" in der EU, wie es das in der Nachkriegsphase noch nie gegeben habe. Die Forderung nach einem Ausschluss Ungarns sei "untragbar". Ungarn fahre "ein gutes Kontraprodukt" in der EU. Die grüne Delegationsleiterin Ulrike Lunacek sagte, auch wenn sie Asselborn "emotional sehr wohl unterstütze, halte ich seinen Vorschlag für gar nicht hilfreich". Es gebe auch kein Verfahren, das einen Ausschluss Ungarns ermögliche.
Die liberale EU-Mandatarin Mlinar wiederum kann der Forderung Asselborns "sehr viel abgewinnen. Es sollte jedenfalls hier keine Einstimmigkeit" im Rat notwendig sein. Die Lage in Ungarn sei seit vielen Monaten eine, wo "letztlich die Spirale immer nur nach unten gedreht" worden sei. Als "Skandal" bezeichnete sie es, dass "Österreich Kanzler Kern nach Ungarn fährt und sich für den Zaunbau bedankt".
Der Rauswurf eines Landes aus der Europäischen Union ist in den EU-Verträgen nicht vorgesehen. Allerdings kann die Mitgliedschaft eines Staates vorübergehend ausgesetzt werden. Artikel 7 des EU-Vertrags sieht vor, dass einem Land bei einer "schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung" der Grundwerte der EU etwa das Stimmrecht entzogen werden kann.
Das Europaparlament müsste einem entsprechenden Vorschlag, den etwa die EU-Kommission machen kann, zustimmen. Die nicht betroffenen EU-Staaten müssten den Schritt dann einstimmig beschließen. Dies ist bisher noch nie geschehen. Ebenso wenig hat ein Land bisher von sich aus die EU verlassen. Regeln dafür legt Artikel 50 des EU-Vertrags fest.