Politik/Ausland

Lachen im Camp der Tränen

Der Kontrast könnte größer, absurder nicht sein: Während sich drei Clowns mit roten Nasen dem abgelegenen Flüchtlingscamp nähern, verlässt ein riesiger Luxus-Liner den Hafen von Piräus. An der weißen Schiffswand stehen stimmige Begriffe wie "wohl fühlen", "Sommernachtstraum" oder "Neuland".

Neuland betreten soeben auch Felix Kislich, Timea Till und Pavel Mihalak. Sie kommen aus dem Herzen Europas, aus Österreich und der Slowakei – mit Ukulele, Diabolo und guter Laune im Handgepäck. Sie sind Künstler, die einen Teil ihrer Arbeit für die Hilfsorganisation Rote Nasen (siehe rechts) leisten.

Seit zehn Tagen sind Kislich, Till und Mihalak als Vincenzo, Fulla und Dodo in Flüchtlingscamps in Athen und Umgebung unterwegs, im Rahmen der "Emergency Smile Mission".

Grenzen statt Zäune!

Bisher sind sie zumeist vor kranken Kindern in Krankenhäusern aufgetreten. Hier tänzeln sie über emotionale Minenfelder. Der Auftritt vor Kindern mit akuten Kriegs- oder Fluchttraumata ist kein Kindergeburtstag.

"Sie kennen keine Regeln", erklärt ein ehrenamtlicher Mitarbeiter vom griechischen Roten Kreuz, um schnell hinzuzufügen: "Aber das ist nicht verwunderlich." Dann erzählt er von drei syrischen Schwestern, die mitansehen mussten, wie ihre Mutter erschossen wurde. "Ihr Vater sitzt apathisch in seinem Zelt und will sich nicht mehr um seine Kinder kümmern."

Grenzen ziehen, ohne dabei Zäune aufzuziehen. Das ist ein Balanceakt, bei dem man auch scheitern kann. Was den Clowns bei jedem Auftritt durch den Kopf geht: Wie können wir komisch sein und gleichzeitig klarmachen, dass auch für Flüchtlingskinder Regeln gelten?

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"Die Grenze ist meine Ukulele", wird Pavel alias Dodo später sagen. "Die Grenze ist meine Krawatte", wird Vincenzo alias Felix hinzufügen. Es versteht sich von selbst, dass der Ausnahmezustand Ausnahmen nötig macht: Die Kinder hängen anfangs wie Kletten an den beiden Schaustellern. Einige wollen geherzt werden, andere ihre Aggression loswerden. Was auch die Politik wissen sollte: Je länger man diese Kinder sich selbst überlässt, je länger man sie von Schulen aussperrt, umso schwieriger wird es für sie werden, sich wo auch immer zu integrieren.

Seit Februar ist der Hafen Piräus Schauplatz eines europäischen Dramas. Während man in Österreich erste Zäune aufzog, suchten ganz am Ende vom Hafen 6000 Menschen (die meisten aus Syrien) Unterschlupf. Noch immer sind 2000 da. Sie hausen unter widrigsten Umständen in filigranen Billig-Zelten – in und neben einem desolaten Lagerhaus, dort, wo Piräus die Hässlichkeitsobergrenze erreicht. Es gibt zu wenige Waschmöglichkeiten, zu wenige Toiletten, vor allem aber: es gibt keine Perspektiven.

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Die Verzweiflung ist den Zeltbewohnern ins Gesicht geschrieben. Einige wurden wie seelenlose Postpakete in die Türkei abgeschoben und von dort wieder zurück nach Athen geschickt. Den Kindern ist den ganzen Tag fad. Es gibt für sie nichts zu tun. Der Auftritt der lustigen Leute mit ihren roten Nasen ist mehr als nur Entertainment.

Langsam, sehr mühsam können sich die Clowns Respekt verschaffen. Am Ende schaffen sie es sogar, ernste Themen wie das Benützen eines chemischen Klos oder das Müllsammeln spielerisch zu vermitteln. Das Dilemma im Camp: Die Athener Müllabfuhr nimmt nur Müll in Säcken mit. Doch niemand hat Geld für Müllsäcke.

Verdammt gute Clowns

Die Griechen haben selbst zu wenig Geld zum Leben. Die freiwilligen Rotkreuzhelfer sind so gesehen Helden. Sie berichten, dass in Kürze dieser Unort in Piräus geräumt werden soll. Den drei Clowns sind sie sehr dankbar: "Sie entlasten uns, wenn auch nur kurz."

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Mehr geht einfach nicht. Nach einer Stunde Stegreif steht auch dem Trio die Anstrengung ins Gesicht geschrieben. "Es gibt ja keine Bühne, sie müssen sich ihren Auftrittsraum behutsam erkämpfen", erläutert Karola Sakotnik, die im Hintergrund als künstlerische Leiterin wirkt.

Wenn ein Kind die eigene Mutter sterben gesehen hat, muss man schon ein verdammt guter Clown sein, um das Herz des Kindes zu erreichen. Und ja, Chapeau, die "Nasen" schaffen das!

Clowns in Krankenhäusern – eine österreichische Idee

Die Rote Nasen Clowndoctors wollen Patienten, vor allem Kindern, wieder Hoffnung und Lebensmut schenken. Der gleichnamige Verein vertraut dabei auf die Künste von gut ausgebildeten Clowns,. Er wurde im Jahr 1994 in Wien gegründet.

Red Noses international

Exportschlager: Heute sind die roten Nasen auch in Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Slowenien, Kroatien, Polen, Litauen, Deutsch- land und auch in Palästina aktiv.

Red Noses bei Flüchtlingen

Seit 2013 treten internationale Clownteams in Flüchtlingslagern auf, zuletzt in Jordanien und der Ukraine. Ihr Einsatz in Griechen- land läuft vorerst bis Oktober. Spenden erbeten: IBAN: AT89 2011 1822 2424 5903