Politik/Ausland

Österreich gilt in Ukraine vor Kurz-Besuch nicht mehr als neutral

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) besucht am kommenden Dienstag die Ukraine. Dabei möchte Kurz "die guten bilateralen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen weiter vertiefen", sagte er im Vorfeld der Reise. Politiker in Kiew waren über die Anwesenheit des russischen Präsidenten Wladimir Putin jüngst bei der Hochzeit von Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) allerdings schwer irritiert. Die Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses, Hanna Hopko, betonte, dass nach der Hochzeitseinladung für Putin Österreich nun kein neutraler Vermittler in der Ukraine mehr sein könne.

Auch wenn Kneissl "garantierte", dass Russland wegen der Hochzeitseinladung für Putin keine Sonderbehandlung erhalte und der außenpolitische Kurs Österreichs "neutral" bleibe, sind ukrainische Politiker skeptisch. Außenminister Pawlo Klimkin sagte, die Rechtfertigungen würde bei ihm ein "trauriges Lächeln" hervorrufen.

Der in Kiew lebende Ukraine-Experte Andreas Umland ortet in der Ukraine eine "große Verbitterung" über Österreich. Putin werde für den Krieg im Donbass verantwortlich gemacht; er gelte als "Schlächter der Ukrainer", erklärte Umland im Gespräch mit der "Presse" (Mittwoch-Ausgabe). Die Hochzeitseinladung sei aus der Sicht Kiews der Höhepunkt einer längeren "Enttäuschungsgeschichte" - angefangen bei der umstrittenen Österreich-Visite Putins im Juni 2014, der Kooperation der FPÖ mit der Kreml-Partei Einiges Russland, dem Lavieren Wiens in der Frage der Sanktionen gegen Moskau sowie dem offenkundigen Primat von Geschäftsinteressen, zitierte die Zeitung den Experten: "In der Ukraine macht sich der Eindruck breit: Öl ist dicker als Blut."

Mission zur Schadensbegrenzung?

Einen Zusammenhang zwischen dem Ärger über die Hochzeitsteilnahme Putins und der Reise des Bundeskanzlers konnte das Bundeskanzleramt gegenüber der APA nicht bestätigen. Gerüchten zufolge gab es allerdings ein Telefonat des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko mit Kurz nach der Hochzeit vom 18. August in den südsteirischen Weinbergen. Ein Sprecher der Bundeskanzleramts sagte dazu: "Poroschenko und Kurz stehen in einem guten und regelmäßigen Austausch. Ein Besuch war jedenfalls für den Herbst geplant." Eine APA-Anfrage in der ukrainischen Präsidentschaftskanzlei blieb bisher unbeantwortet.

Poroschenko wird mit Kurz in Kiew zusammentreffen. Dabei sollen der österreichische EU-Vorsitz, die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und der Ukraine sowie die innenpolitische Situation in der Ukraine mit besonderem Fokus auf den Osten des Landes Gegenstand der Gespräche sein, teilte das Bundeskanzleramt mit. Kurz werde außerdem den Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, treffen.

Die Stabilisierung der Ukraine ist auch auf der Agenda des österreichischen EU-Vorsitzes, besonders wichtig seien dabei die Umsetzung des Assoziierungsabkommens der EU mit der Ukraine sowie auch das von der EU unterstützte ukrainische Reformprogramm. "Mit dem Besuch in der Ukraine möchten wir nicht nur die guten bilateralen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen weiter vertiefen", erklärte Kurz. "Auch im Rahmen des österreichischen Ratsvorsitzes ist es unser Ziel, einen positiven Beitrag zum Abbau der Spannungen auf unserem Kontinent zu leisten. Die Sicherheit und Stabilität in Österreich sowie der EU ist auch abhängig von der Stabilität in der weiteren Nachbarschaft, die Ukraine gehört definitiv dazu."

Waffenruhe in Ostukraine gescheitert

In der Ostukraine hat eine zum Beginn des Schuljahres vereinbarte Waffenruhe zwischen Regierungssoldaten und prorussischen Separatisten nicht gehalten. Seit Mitternacht hätten die Beobachter mehr als 70 Verstöße der Feuerpause festgestellt, teilte der Vizechef der Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Alexander Hug, am Mittwoch per Twitter mit.

Er forderte eine sofortige Einstellung der Kämpfe. Nach Angaben der Separatisten gab es in Luhansk ab Mitternacht keine Kämpfe mehr. Unter Vermittlung der OSZE hatten sich die Konfliktparteien in der vergangenen Woche auf eine Waffenruhe geeinigt, um einen normalen Schulstart am 1. September gewährleisten zu können.

In den vergangenen Jahren hatten die Konfliktparteien zu Schulbeginn, Ostern oder Weihnachten ebenfalls Waffenruhen vereinbart, diese scheiterten jedoch bereits nach kurzer Zeit. In dem seit 2014 andauernden Konflikt sind nach Angaben der Vereinten Nationen bereits mehr als 10.000 Menschen getötet worden.

"Kneissl schwer beschädigt"

Der ehemalige Spitzendiplomat Wolfgang Petritsch sieht nach dem Besuch von Putin bei der Hochzeit von Kneissl ein massives Problem für die österreichische Außenpolitik: "Die zentrale operative Figur der Außenpolitik ist die Außenministerin und die ist schwer beschädigt", erklärte er gegenüber der APA. Die Einladung des russischen Präsidenten zur Hochzeit sei "nicht nur ein Fehler" gewesen, "das war eine Dummheit", sagte der SPÖ-nahe Diplomat. "Fehler kann man korrigieren, Dummheiten werden in der Politik aber nicht so einfach verziehen und sie bleiben hängen", sagte er.

Petritsch geht davon aus, dass die Symbolkraft jener Bilder, die die Außenministerin etwa bei einem Knicks vor Wladimir Putin zeigen, in der Zukunft noch stärker würden, da sie zunehmend von ihrem ursprünglichen Kontext losgelöst würden. Versuche von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der international hervorragend vernetzt sei, sowie von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der in seine Rolle hinein- und über sie hinauswachse, könnten zwar einiges abdecken, betonte Petritsch. "Letztlich bleibt es aber immer eine Rettungsaktion und Schadensbegrenzung", erklärte der Diplomat.