Politik/Ausland

Kopten: "Uns ist das wurscht, wir beten weiter"

Was da in dem Rucksack drin sei, fragt ein Mann, der in der letzten Reihe an die Wand gelehnt steht. Als er sieht, dass es nur Kamera-Objektive sind, entschuldigt er sich: "Sie wissen eh, es passiert gerade so viel."

Nach den jüngsten Anschlägen auf koptische Christen in Ägypten ist man auch in der koptisch-orthodoxen Kirche zur Heiligen Jungfrau Maria im 22. Wiener Gemeindebezirk aufmerksam. Aus Respekt vor den Opfern der Anschläge wurde das traditionelle Grillfest am Ostermontag abgesagt.

Trotzdem ist die Kirche an diesem Gründonnerstag voll besetzt. Die Luft ist geschwängert von Weihrauch, Kinder laufen herum, manche raunzen, weil die Messe zu diesem Zeitpunkt schon dreieinhalb Stunden dauert. "Sie sollten morgen kommen, da stehen die Leute Schlange", sagt ein Kirchgänger.

Unter Polizeischutz

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Die Karwoche ist die wichtigste Woche im Kirchenjahr – auch für die Kopten. Die Messen dauern dann nicht – wie üblich – zwei oder drei, sondern bis zu acht Stunden. Wegen anhaltender Terrorgefahr finden sie seit einigen Jahren unter Polizeischutz statt. Zwei Beamte in Uniform und drei weitere in Zivil werden etwa die Jungfrau-Maria-Kirche zu Ostern bewachen. Die Kirchenoberhäupter sind in ständigem Austausch mit dem Verfassungsschutz. "Wir haben Bedenken", sagt Bischof Anba Gabriel. "Aber keine Angst. Terror gibt es überall."

Weltweit sind christliche Gemeinden Anfeindungen ausgesetzt. Christliche Organisationen wie die Plattform Kirche in Not sprechen davon, dass es noch nie so gefährlich gewesen sei, Christ zu sein, wie heute. Noch nie seien so viele Christen diskriminiert, bedroht und verfolgt worden. 100 Millionen Menschen seien davon betroffen. Kirche in Not spricht vom Christentum als der am stärksten unter Verfolgung leidenden Religionsgruppe.

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Bei diesem Befund nicht in Betracht gezogen wurden anscheinend kleine Gruppen, wie etwa Jesiden, Zoroastrier oder etwa auch der Sufismus. Unbestritten ist aber, dass christliche Gemeinden in vielen Staaten des Nahen Ostens, aber auch Afrikas und Asiens, Anfeindungen und Verfolgung ausgesetzt oder zu einem Ziel für Terroristen geworden sind – wobei: aus regional ganz unterschiedlichen Gründen.

Da sind zum einen islamistische Tendenzen, die in vielen Regionen in Nahost und Afrika, wo staatliche Strukturen zerfallen sind, heute zum Thema werden. Da ist in vielen Staaten aber auch der Kontrollwahn von zum Teil durchaus religions-fernen Regimen, in denen prinzipiell alle außerstaatlichen Strukturen und damit auch religiöse Gemeinden suspekt sind. Etwa in China oder vor allem auch Nordkorea, aber auch in Teilen Zentralasiens.

Zuweilen sind es aber auch in Gesetzen festgeschriebene Diskriminierungen. So etwa in Pakistan, das sich per Verfassung als islamische Nation versteht, aus der Kolonialvergangenheit aber eine verhältnismäßig große christliche Gemeinde beherbergt. Hinzu kommen gerade in Pakistan schwächelnde staatliche Strukturen in vielen Regionen, in denen sich eine Vielzahl an Terrorgruppen festgesetzt haben. Es kam zu zahlreichen Übergriffen, Anschlägen und Attentaten auch auf Politiker.

Die große Mehrheit dieser Gewaltakte spielt sich allerdings nach wie vor unter rivalisierenden muslimischen Gruppen ab. Eine christliche Studentin aus Lahore jedoch berichtet von nahezu täglichen Verbalattacken, offenen Anfeindungen und regelmäßigen Drohungen durch Wandschmierereien in christlichen Vierteln.

Dem Terror trotzen

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Die Anhänger der koptisch-orthodoxen Kirche in Wien trotzen dem Terror. "Die Terroristen wollen alle Christen im Nahen Osten loswerden. In Moscheen lernen sie, gegen jeden zu sein, der kein Muslim ist", sagt Simon, der seit 26 Jahren in Österreich lebt und die Gründonnerstagsmesse besucht. "Wir rechnen mit Anschlägen." Die Kopten seien "schon immer benachteiligt" gewesen. Der Terror würde ihn jedenfalls nicht davon abhalten, die Kirche zu besuchen. "Dann sterbe ich halt als Märtyrer", sagt Simon.
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Minas (20), der die Messe mit Freunden besucht hat, sagt: "Uns Kopten ist das wurscht, wir beten weiter." Das sieht auch sein Freund Antonius so. "Die, die dem Glauben fern sind, werden jetzt noch eher in die Kirche gehen."

In der Messe am Palmsonntag hat das Kirchenvolk vom Anschlag in Ägypten erfahren. Einige Kirchenmitglieder hätten Verwandte verloren. "Wir gehen trotzdem in die Kirche", sagt Kiro (23). "In der Bibel heißt es ja: Vergib’ ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun."