Politik/Ausland

Klitschko steigt in den Polit-Ring

Der Kragen aufgeknöpft, ein lässiges Lächeln auf den Lippen, die tellergroße Faust rotiert in der Luft – wenn Weltmeister Vitali Klitschko auf Wahlkampf-Ochsentour geht, dann nicht ohne Anspielungen auf den Boxring. „Die Zeit für den Schlag ist gekommen“, so einer der Slogans.

„Schlag “ heißt auf Ukrainisch „Udar“ und das ist gleich die Abkürzung von Klitschkos Partei „Ukrainische demokratische Allianz für Reformen“. Als deren Spitzenkandidat will der 41-Jährige am Sonntag ins „Rada“ (Parlament) einziehen – auf den Flügeln der pro-europäisch gesinnten Jugend im Westen der Ukraine, die dem Russland-freundlichen Kurs von Präsident Viktor Janukowitsch wenig abgewinnen kann.

Klitschkos einzige politische Erfahrung bestand bisher darin, die vergangenen beiden Bürgermeisterwahlen in Kiew zu verlieren. Doch laut den letzten Umfragen wird der Zwei-Meter-Mann mit dem Doktortitel den zweiten Platz hinter Janukowitsch schaffen, mithilfe seiner Kampagne aus der gigantischen Basisorganisation. Zigtausende Kilometer hat „Dr. Eisenfaust“ inzwischen zurückgelegt, um besonders die jungen Wähler zu gewinnen. Für die ist der Hüne ohnehin ein Idol, gilt er doch als unbestechlich. Den „normalen“ Politikern glauben sie hingegen nicht mehr. Zu groß ist die Enttäuschung über die Korruption der politischen Eliten.

Als vor acht Jahren die Orange Revolution Hunderttausende in Kiew auf die Straßen brachte, glaubten die Ukrainer an einen grundlegenden Wechsel – weg von der Oligarchen-Mentalität, hin zur europäischen Standards. Tag und Nacht harrten sie mit Kerzen in den Händen im Zentrum Kiews aus, um für ihre Revolutionshelden Viktor Juschtschenko und Julia Timoschenko zu demonstrieren. Doch die Allianz zerfiel innerhalb eines Jahres in Streitereien und gegenseitigen Korruptionsvorwürfen.

Enttäuschung

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Seither ist nicht viel passiert, außer dass Erzfeind Janukowitsch den Präsidentenpalast bezogen hat. Die friedliche Revolution ist im Sande verlaufen und hat ihre Anhänger desillusioniert zurückgelassen. Die einstige Ikone Timoschenko büßt heute unter internationaler Beobachtung eine siebenjährige Haftstrafe wegen Amtsmissbrauchs ab.

Wegen des umstrittenen Urteils gegen die Frau mit dem Zopfkranz ging zum Teil auch die Annäherung an die EU zu Bruch. Die Union legte das ersehnte Assoziierungsabkommen auf Eis, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Ukraine gar als Diktatur.

Timoschenko, die an der Spitze des Parteienbündnisses „Geeinte Opposition“ steht, darf als verurteilte Straftäterin nicht einmal antreten. Für das demokratische Ansehen des Landes ein schwerer Schlag.

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