Karzai wettert vor Abschied gegen die USA
Von Stefan Schocher
Dass Hamid Karzai auf die US-Regierung unter Barack Obama nicht allzugut zu sprechen ist, ist seit langem kein Geheimnis – dass er in den letzten Tagen seiner Zeit im Amt des Präsidenten Afghanistans noch einmal zu einem Rundumschlag ausholt, kam aber doch überraschend. Bei einer Abschiedsrede vor Regierungsbeamten sagte Karzai: "Die Vereinigten Staaten waren nie erpicht darauf, Afghanistan Frieden und Stabilität zu bringen, weil sie nur ihre eigenen Interessen verfolgt haben." Und weiter: "Die Afghanen sind Opfer eines ausländischen Krieges auf ihrem Boden." Radikale Gruppen wie die Taliban müssten in ihren Zufluchtsorten bekämpft werden, in Pakistan, und nicht in Afghanistan.
"Die Afghanen sind Opfer eines ausländischen Krieges auf ihrem Boden."
Die USA reagierten zerknirscht auf die Aussagen des scheidenden Präsidenten. Der US-Botschafter in Afghanistan, James Cunningham, nannte Karzais Worte "rüde und undankbar". Dabei blieb es aber auch schon mit den Reaktionen seitens der USA. Schließlich hoffen diese auf eine rasche Besiegelung des bilateralen Sicherheitsabkommens (BSA) zwischen den USA und Afghanistan. Ende 2014 endet ja das Mandat der internationalen NATO-Schutztruppe ISAF.
Suche nach Nachfolger
Das BSA regelt die Stationierung von US-Soldaten über das Jahresende hinaus und gilt als Modellabkommen für auch andere bilaterale Verträge Afghanistans mit ISAF-beteiligten Staaten. Karzai hatte das Abkommen zwar verhandelt, die Unterzeichnung aber seinem Nachfolger überlassen.
Und die Suche nach diesem Nachfolger, die gestaltete sich denkbar schwierig – jetzt ist sie aber zu Ende. Vergangenen Sonntag hatte die afghanische Wahlkommission Aschraf Ghani zum Sieger der Präsidentenwahl erklärt. Der Entscheidung war ein monatelanger Streit um Wahlbetrug und eine von Ghanis Kontrahenten Abdullah Abdullah geforderte Neuauszählung der Stimmen vorangegangen, der schließlich mit einer Einigung beendet wurde.
Regierung der nationalen Einheit
Die Einigung ist ein Kompromiss, dessen Standhaftigkeit in Frage steht: Ghani wird Präsident, Abdullah wird die neu geschaffene Position eines quasi Regierungschefs übernehmen. Bisher hatte der Präsident laut Verfassung praktisch uneingeschränkte Befugnisse. Die Rede ist von einer Regierung der nationalen Einheit. Noch ist der Ton freundlich: Abdulah gratulierte Ghani. Und letzterer – das ist die nach allem Ungemach gute Nachricht für Washington – hat versprochen, das BSA ehest möglich zu unterzeichnen. Angelobt wird er kommenden Montag. US-Außenminister John Kerry sagte in New York, eine Unterzeichnung des Abkommens sei "in etwa einer Woche" möglich.
Die Sicherheitslage in Afghanistan jedenfalls drängt: Das nahe Ende der ISAF vor Augen, haben die Taliban ihre Angriffe verstärkt. In einer Stellungnahme schworen sie, auch die Regierung unter Ghani bekämpfen zu wollen.