Kämpfe an ukrainischer Schwarzmeerküste und im Osten
Tag 153 im russischen Belagerungskrieg gegen die Ukraine:
Russland hat am Dienstag seine Angriffe in den südukrainischen Regionen Mykolajiw und Odessa fortgesetzt. Im ostukrainischen Gebiet Donezk kamen mehrere Zivilisten im Zuge der Kämpfe zwischen russischen und ukrainischen Truppen ums Leben. Im von der Ukraine kontrollierten Teil des Gebiets wurden drei Menschen getötet und acht verletzt, wie Militärgouverneur Pawlo Kyrylenko am Dienstag mitteilte. Die Toten habe es in den Ortschaften Krasnohoriwka, Marjinka und Soledar gegeben.
Es werde faktisch das gesamte Territorium vom Gegner beschossen. "Es gibt keine Siedlung im Donezker Gebiet, die nicht beschossen wird und die sicher oder relativ sicher ist", sagte Kyrylenko später im TV. Auch in dem von prorussischen Separatisten kontrollierten Teil des Gebiets Donezk wurde nach örtlichen Angaben ein Zivilist in der Stadt Horliwka getötet. In der Region seien auch fünf Menschen verletzt worden, hieß es. Ukrainische Truppen hätten insbesondere den Großraum Donezk beschossen.
Hat Russland den Getreide-Deal gebrochen?
Russische Truppen hätten die Infrastruktur des Hafens der Region Mykolajiw angegriffen, sagte der Bürgermeister der Stadt, Olexandr Senkewitsch, am Dienstag. "Ein massiver Raketenangriff auf den Süden der Ukraine wurde aus Richtung des Schwarzen Meeres und unter Einsatz der Luftwaffe gestartet." Auch die Region Odessa sei erneut angegriffen worden, sagte ein Sprecher der Militärverwaltung. Eine Rakete, die aus Richtung des Schwarzen Meeres gekommen sei, sei eingeschlagen. Einzelheiten über die Folgen der Angriffe in den Regionen Mykolajiw und Odessa gab es zunächst nicht.
Bereits am Samstag hatte Russland der Ukraine zufolge die Hafenanlagen von Odessa angegriffen und damit den Vertrag zur Freigabe von Getreideexporten nur einen Tag nach dessen Abschluss gebrochen. Die ukrainischen Häfen sind seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar durch die russische Schwarzmeerflotte blockiert. Allein in Odessa stecken in den Silos rund 20 Millionen Tonnen Getreide fest.
Neuer Befehlshaber der Ukrainer im Osten
Selenskyj setzte indes nach größeren Gebietsverlusten seit Beginn des russischen Einmarsches einen neuen Befehlshaber der Streitkräfte in der Ostukraine ein: Viktor Horenko soll die Truppen kommandieren. Per Dekret entließ er den 44 Jahre alten Generalmajor Hryhorij Halahan, der in den Geheimdienst versetzt werde. Er wurde demnach zum stellvertretenden Chef des für Terrorbekämpfung zuständigen Zentrums des Geheimdienstes SBU ernannt.
Nach Russlands Einmarsch im Februar hat die Ukraine nun die Kontrolle über das Gebiet Luhansk komplett verloren. Das benachbarte Donezker Gebiet wurde etwa zur Hälfte von russischen Truppen erobert. Vor dem 24. Februar waren nur knapp 30 Prozent der Gebiete von prorussischen Separatisten kontrolliert worden. Selenskyj hatte unlängst beklagt, dass Kiew bereits 20 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets nicht mehr unter Kontrolle habe.
Selenskij: "Russland beginnt Gaskrieg mit Europa"
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht in der weiteren Drosselung russischer Gaslieferungen nach Europa eine Form von Moskaus "Terror" gegen den Westen. "Und dies ist ein offener Gas-Krieg, den Russland entfacht gegen das vereinte Europa", sagte Selenskyj am Montag in seiner abendlichen Videobotschaft. Russland mache es Europa damit absichtlich schwer, sich auf den Winter vorzubereiten.
"Das sind einfach nur verschiedene Formen von Terror", sagte Selenskyj mit Blick auf die Ankündigung des russischen Gaskonzerns Gazprom, von diesem Mittwoch an die Lieferungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 auf 20 Prozent der Kapazität zu drosseln. Gazprom nannte als Grund, dass eine weitere Gasturbine in die Reparatur müsse. Deshalb werde die Leistung von derzeit 40 Prozent weiter reduziert auf 33 Millionen Kubikmeter Gas täglich, hieß es. Nord Stream 1 ist für Deutschland die wichtigste Versorgungsleitung mit Gas aus Russland.
Für Europa sei das eine weitere Bedrohung, betonte Selenskyj. Deshalb müsse der Westen zurückschlagen. Statt an eine Rückgabe der bereits reparierten Gasturbine zu denken, sollten die Sanktionen gegen Russland weiter verschärft werden, meinte er. "Tun Sie alles, um Russlands Einnahmen nicht nur aus Gas und Öl zu reduzieren, sondern auch aus anderen Exporten, die noch bleiben", so Selenskyj. Er warnte, dass jede weitere Handelsbeziehung ein "potenzielles Mittel des Drucks für Russland" sei. Russland steht seit langem im Ruf, sein Gas als "geopolitische Waffe" einzusetzen.