Politik/Ausland

Boris Johnson: "Wollte immer nur Menschenleben schützen"

Der britische Premierminister Boris Johnson ist schweren Vorwürfen seines ehemaligen Top-Beraters Dominic Cummings weitgehend ausgewichen. "Einige Kommentare, die ich gehört habe, haben keinen Bezug zur Realität", sagte Johnson am Donnerstag. Der Regierungschef sagte, die Regierung habe "eine ungemein schwierige Reihe von Entscheidungen" treffen müssen.

Lockdowns mit Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen seien "sehr schmerzhaft, eine traumatische Erfahrung", so der konservative Premier. "Zu jedem Zeitpunkt wurden wir von der Überzeugung geleitet, Leben zu schützen, Leben zu retten und sicherzustellen, dass der Nationale Gesundheitsdienst nicht überlastet ist."

Weiter wollte sich Johnson beim Besuch eines Krankenhauses in Colchester, 85 Kilometer nordöstlich von London, nicht zu den schweren Anschuldigungen äußern. Cummings hatte dem Premier Unfähigkeit vorgeworfen. Die Regierung habe versagt und sei schuld am Tod Zehntausender Corona-Opfer, hatte er am Mittwoch gesagt.

Johnson betonte, es gehe darum, sich darauf zu konzentrieren, "was wirklich zählt". Den Menschen gehe es darum, dass die Regierung einen Weg aus der Pandemie vorgebe und das Land aus einer der schwierigsten Phasen seiner jüngeren Geschichte führe.

Politologin: Keine Gefahr für Johnson

Auch nach den massiven Vorwürfen von Cummings ist die Position von Boris Johnson nach Einschätzung der Politologin Melanie Sully aktuell nicht gefährdet. "Im Moment gibt es keine Alternative zu Johnson, denn die Leute mögen ihn noch immer ziemlich gern", sagte sie am Donnerstag zur APA. "Die Menschen wissen, dass er kein Heiliger ist, sie akzeptieren das."

Kritik an Johnson gibt es derzeit auch wegen der umstrittenen Renovierung seiner Dienstwohnung in der Downing Street. Entscheidend sei aus Sicht seiner Partei aber der Erfolg bei Wahlen: "In den Augen der Konservativen Partei ist er ein Sieger." Warum also solle sie sich Sorgen über Vorwürfe machen, dass der Premier lüge, solange sie unter seiner Führung Wahlsiege einfahren könne, so Sully.

Bei den Lokalwahlen und einer Nachwahl in England haben die Konservativen jüngst gut abgeschnitten, und die nächsten Nachwahlen stehen bereits vor der Tür. "Die Hauptgefahr herrscht für Keir Starmer", meinte die Expertin unter Verweis auf den Oppositionschef von der Labour Party. Bei der nächsten Nachwahl trete eine Verwandte der ermordeten Labour-Politikerin Jo Cox für die Partei an. "Wenn Keir Starmer das verliert, ist er in größten Schwierigkeiten im Hinblick auf die Parteiführung, mehr als Johnson in seiner Partei."

Sully erwartet denn auch keine Rücktrittsaufrufe an Johnson aus den eigenen Reihen. "Das Kabinett hat bisher zusammengehalten, zumindest in den Augen der Öffentlichkeit - anders als Theresa Mays Kabinett, das total gespalten war, öffentlich und im Parlament gespalten." Das sei unter Premier Johnson nicht passiert, was aber nicht heiße, dass es keine internen Machtkämpfe gebe. "Aber sie gehen nicht ins Radio und reden darüber."

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