Politik/Ausland

Tel Aviv macht weiter Party

"Wir haben noch einen langen Weg vor uns, bis wir eine Gesellschaft sind, in der sich jeder gleich fühlt und gleich ist und sein Leben leben kann, wie er möchte", sagte Tel Avivs Langzeit-Bürgermeister Ron Huldai am Freitag bei der Eröffnung der 20. Gay Pride Parade.

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Der 72-jährige ehemalige Kampfpilot und Brigadegeneral, Direktor des Herzlyia Gymnasiums, der im Kibbutz Hulda aufgewachsen war, ist ein säkularer Linker der sozialdemokratischen Awoda. Er amtiert seit 1998 und hat Tel Aviv zu einer modernen Partystadt, zu einem Hotspot im Nahen Osten ausgebaut. In der Nacht pulsiert das Leben, untertags rauchen die Köpfe. Tel Aviv ist ein Zentrum für Technologie, Forschung und Entwicklung, eine kreative Stadt. Mit über 600 Start-up-Unternehmen ist es ein Zentrum für Innovation. Oder anders gesagt, das Silicon Valley am Mittelmeer, das zwar nicht in Europa liegt, sich aber europäisch und mediterran gibt.

Bürgermeister Huldai ist verheiratet und hat Kinder und Enkelkinder. Doch er denkt an die Zukunft: Am Beginn seiner Amtszeit soll er noch gesagt haben, dass ihm davor ekle, wenn er mitansehen müsse, wie sich zwei Männer küssen. Jetzt ist er bei allen wichtigen Events der Szene gern gesehen und gilt als unangefochtener Bürgermeister in der Schwulenhauptstadt des Nahen Ostens. Bei den letzten Wahlen 2013 setzte er sich gegen mehrere homosexuelle Kandidaten durch. Huldai predigt Toleranz und hat selbstverständlich auch Mietfahrräder propagiert, er träumt von einer grünen Stadt in der Juden und Palästinenser, Säkulare und Religiöse, Israelis und Ausländer miteinander auskommen.

Wildes Nachtleben

An jedem zweiten Juni-Wochenende bebt die Stadt, die viele Israelis eine Blase nennen. Fast 200.000 Homosexuelle aus aller Welt feiern hier und verbinden das meistens noch mit ein paar Tagen Urlaub am weißen Sandstrand von Tel Aviv. Die Stadt ist für ihr wildes Nachtleben berühmt, denn hier arbeiten die besten DJs, finden sich die skurrilsten und auch steilsten Lokale. Auch für Heteros, selbstverständlich. Tel Aviv gibt sich sehr jung, ist aber was Mieten und Leben betrifft unfassbar teuer. Die Stadt erklärt das damit, dass ständig Menschen zuwandern, immer noch viele russische Juden, die oft ihre ersten Jobs als Türsteher machen.

Die Parade am Freitag verlief friedlich, der farbenfrohe Umzug stand unter dem Motto "Bisexual Visibility" (Bisexuelle Sichtbarkeit). Die Stadt fungiert wie immer als Veranstalter und sorgte auch für ein Großaufgebot an Polizeischutz. Vor zwei Jahren hatte ein ultraorthodoxer Jude auf der LGBT-Parade in Jerusalem ein Mädchen erstochen und sechs weitere Menschen verletzt.