IS-Entführung: "Österreich ist nicht erpressbar"
Vor acht Tagen wurde der Linzer Ex-UNO-Soldat Dalibor S. in Libyen von Terroristen des "Islamischen Staates" entführt. Seither tagt in Wien täglich ein Krisenstab. Dessen Leiter ist Michael Linhart, der höchste Beamte im Außenministerium.
KURIER: Glauben Sie, dass Dalibor S. noch am Leben ist?
Michael Linhart: Gesichert ist, dass er gesehen wurde, als er in das Fahrzeug verfrachtet wurde. Und dass er zu diesem Zeitpunkt wohlbehalten und unverletzt war. Seither haben wir keine Nachrichten. Es ist eine extrem ernste Situation.
Gibt es über inoffizielle Quellen einen Hoffnungsschimmer?
Es gibt laufend Gerüchte und Vermutungen, die an uns herangetragen werden und jemand sagt: Er könnte dort und dort sein. Dem gehen wir immer nach. Aber Konkretes hat es bisher nicht gegeben. Bisher haben wir keinen Hinweis, dass er tot ist. Insofern besteht weiter Hoffnung.
Unser Ziel ist, Dalibor S. freizubekommen und dass er heil zurückkommt. Da versuchen wir jedes Gespräch, das es gibt, aufzugreifen. Bei allen bisherigen Entführungen von Österreichern hatten wir noch nie einen Fall mit dem IS. Wir haben viel Erfahrung, aber das ist auch für uns ein bisschen Neuland.
Sie stehen in Kontakt mit der Familie. Wie kann man sie auf das Schlimmste vorbereiten?
Wir sind im Kontakt und im Innenministerium gibt es Spezialisten dafür, verbunden mit einer psychologischen Betreuung, die 24 Stunden am Tag erreichbar ist. Dieses Team hat die selben Informationen wie wir und kann der Familie sagen, was der Stand ist und welche Gerüchte nicht zutreffen. Es ist ganz, ganz wichtig zu wissen für sie, was ist glaubwürdig und was nicht.
Würde Österreich Lösegeld für Dalibor S. zahlen?
Österreich ist sicherlich nicht erpressbar. Wir haben aber auch noch keine Forderungen erhalten. Unser Eindruck ist, dass es diesen Kräften nicht um Lösegeld geht.
Der IS steht 200 Kilometer vor der EU-Außengrenze und will in Mitteleuropa sein Kalifat errichten. Was tut Österreich gegen diese mögliche Gefahr?
Es gibt zwei Möglichkeiten: Im außenpolitischen Bereich, wo wir uns der Allianz gegen den IS angeschlossen haben, mit den Möglichkeiten, die wir haben. Das liegt vor allem im humanitären Bereich. Wir können keine Kampfjets schicken oder Waffen liefern. Auf der anderen Seite müssen wir Maßnahmen gegen die "foreign fighters" treffen, und da wurde schon einiges getan.
Sie waren Botschafter in Syrien und kennen die arabische Welt. Können Sie verstehen, warum ein kleiner Teil der arabischen Welt so einen Hass auf den Westen entwickelt hat?
Das stellt nicht die arabische Welt dar, das stellt nicht die islamische Welt dar. Das ist eine – auch durch ihr Umfeld – radikalisierte Minderheit, die auf grausamste Weise nicht nur gegen den Westen gerichtet ist. Es werden ja Muslime und Araber genauso umgebracht wie Europäer oder Japaner. Alle auf dem Al-Ghani-Ölfeld getöteten Menschen waren Muslime.
In einem neuen Buch wird die aktuelle Lage als Beginn des Dreißigjährigen Krieges in der arabischen Welt bezeichnet. Sehen Sie das auch so düster?
Nein, das glaube ich nicht. Das ist ein Phänomen, das von einer Minderheit ausgeht, die extrem gefährlich ist. Wenn wir international zusammenhalten, dann hat so ein Radikalismus keine Chance.