Politik/Ausland

Hoch explosive Lage auf dem Balkan

Am Tag danach reichen die Reaktionen von Verwunderung bis offener Besorgnis. Was sich in der Nacht auf Freitag in Mazedoniens Hauptstadt Skopje abgespielt hat, ist nicht nur die schwerste Eskalation der seit Monaten schwelenden Krise in dem Balkanland, es war eine Eskalation, die diese Krise auf eine neue Ebene katapultiert hat. Vor allem aber: Die Gewaltausbrüche im Parlament des Landes haben gezeigt, wie explosiv dieser Konflikt ist, der das Potenzial hat, die ganze Region zu erfassen.

In der Nacht auf Freitag hatten nationalistische Aktivisten das Parlament in Skopje gestürmt, Abgeordnete verprügelt und stundenlang gewütet. Die Aktion wirkte kaum wie ein spontaner Wutausbruch anlässlich der Wahl eines ethnischen Albaners (Talat Xhaferi) zum Parlamentspräsidenten. Maskierte Männer schienen Augenzeugen zufolge das Kommando zu haben, im Parlament abgestellte Polizisten standen untätig neben der Szenerie, während der Mob Sessel schmiss und gezielt Abgeordnete der Sozialdemokraten (SDSM) und der albanischen Koalition verprügelte. Bewusstlos geschlagene Politiker sollen an den Haaren durch den Plenarsaal geschleift worden sein.

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Schock-Granaten

Erst nach Stunden rückten Sonderkommandos der Polizei an und stürmten das Parlament unter Einsatz von Tränengas- und Schock-Granaten. Vor dem Parlament kam es zu Straßenschlachten. Die Opferbilanz: 100 Verletzte.

Hintergrund der Eskalation ist ein erbitterter Machtkampf zwischen den politischen Lagern, der zunehmend – und da steckt die Brisanz – ethnische Bruchlinien sichtbar macht. SDSM und die albanischen Parteien haben zusammen zwar die Mehrheit im Parlament und eine Übereinkunft über eine Koalition, aber keinen Auftrag zur Regierungsbildung von Präsident Gjorge Iwanow. Der steht der rechtspopulistischen VMRO-DPMNE nahe, deren Anhängerschaft der Parlamentssturm zugeschrieben wird. Die VMRO-DPMNE ist nach wie vor stärkste Partei – auch, wenn sie bei den Wahlen im Dezember zehn Sitze verlor.

Die VMRO-DPMNE beteuert zwar, durchaus den Gepflogenheiten zufolge mit der stärksten albanischen Fraktion koalieren zu wollen, kritisiert aber den Schulterschluss zwischen den albanischen Parteien (siehe Kasten) auf Druck Albaniens – womit der Konflikt eine internationale Dimension bekommt.

Gefährliche Krise

Einen Tag nach der Eskalation tagte nun in Serbiens Hauptstadt Belgrad das Büro für nationale Sicherheit zu dem Thema; Serbiens Präsident Vucic nannte die Krise im Nachbarland ein "Problem für die Region". Und die in Sachen Polemik wenig zurückhaltende serbische Presse sprach von albanischen Terroristen, die für die Gewalt in Skopje verantwortlich seien. Albanien wiederum sprach von "inakzeptabler" Gewalt.

Für die EU ist die Eskalation ein schwerer Schlag, hatte sie doch 2015 die (in Folge vielfach verschobenen) Neuwahlen und die Einsetzung einer Übergangsregierung vermittelt. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini wiederum nannte die Krise in Mazedonien eine, die gefährlich werden könne. Weitaus direkter äußerte sich Ulrike Lunacek, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im EU-Parlament: Sie forderte mehr Druck aus Brüssel auf Athen, im Namensstreit mit Mazedonien nachzugeben, sowie eine realistische EU-Perspektive für das Land, die die "extrem nationalistische Politik des damaligen Premiers Gruevski", die jetzt eskaliert sei, verhindern hätte können. Eine Politik, so Lunacek, die Außenminister Kurz öffentlich unterstützt habe.