Lockere Atmosphäre: Schulz sprach Tacheles mit Tsipras
Vor dem Treffen sandte Martin Schulz grimmige Signale: Er werde mit dem neuen griechischen Premier "sicher Tacheles" reden, kündigte der EU-Parlamentspräsident in Bild an. Gemeint waren deutliche Worte wegen der von Alexis Tsipras angekündigten Abkehr vom bisherigen Spar- und Reformkurs.
Nach der fast zweistündigen Unterhaltung traten die beiden lächelnd vor die Presse und signalisierten eine betont lockere Atmosphäre – aber Tsipras und seinem Gesprächspartner war die Anstrengung der Unterredung anzusehen. "Ich will sagen, dass ich selten in meiner Amtszeit ein solches Gespräch geführt habe", sagte Schulz, offen und konstruktiv sei es gewesen – übersetzt heißt das: kontrovers.
Man habe sich über vieles verständigt, aber es gäbe auch Punkte, über die man weiter diskutieren müsse, sagte Schulz. "Wir wollen keine neuen Defizite schaffen", kündigte Tsipras an. Schulz lobte die neue griechische Regierung für ihre Absicht, den Kampf gegen den Steuerbetrug aufzunehmen.
Erleichtert stellte Schulz fest, dass "die Regierung nicht daran denkt, Alleingänge zu machen. Griechenland sucht Lösungen auf einer gemeinsamen Grundlage mit seinen europäischen Partnern". Die Debatten darüber würden aber noch sehr kontrovers werden, so Schulz.
Es stehen ja die Ankündigungen des linksgerichteten Tsipras im Raum, trotz Warnungen der internationalen Geldgeber nicht am strikten Sparkurs des Landes festzuhalten. Zudem hat er vor und nach der Wahl vom vergangenen Sonntag angekündigt, eine Neuregelung zum Abbau des 320 Milliarden Euro großen Schuldenberges Griechenlands aushandeln und Tausende entlassene Staatsdiener wieder einstellen zu wollen. Erste Einstellungen gab es bereits.
Beim Thema Privatisierungsstopp ruderte das Athener Links-Rechts-Bündnis zurück. Griechenland wünsche sich Investitionen und werde bald eine Liste mit Optionen präsentieren, sagte Vize-Regierungschef Yanis Dragasakis nach einem Treffen mit Tsipras am Mittwochabend. Dragasakis ist in der Koalition für die Finanz- und Wirtschaftspolitik zuständig.
Pläne zum Privatisierungsstopp hatten den griechischen Aktienmarkt am Mittwoch stark belastet. Die Kurseinbrüche waren durch Aussagen mehrerer Minister ausgelöst worden, wonach es keine neue Privatisierungen mehr geben solle. Zahlreiche bereits vereinbarte – wie die des Hafens in Athen – sollten demnach auf Eis gelegt werden. Auf Reporterfragen, wie es zu den Aussagen der Minister kam, sagte Dragasakis, diese seien junge Ressortchefs. Dafür müsse man Verständnis haben.
Heute, Freitag, reist Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem nach Athen.