Politik/Ausland

Schwere Krise in Ost-Ukraine

Während die Welt auf die sich gefährlich zuspitzende Krise in der Krim blickt, steigen auch die Spannungen in der Ost-Ukraine: In der Stadt Lugansk haben gestern Tausende pro-russische Aktivisten den Sitz der Gebietsregierung gestürmt und den Gouverneur abgesetzt. Demonstranten seien in zahlreichen Bussen aus Russland über die nahe Grenze zu der Kundgebung gefahren, berichteten örtliche Medien.

Gouverneur Michail Bolotskych war erst vor einer Woche vom pro-westlichen Interimspräsidenten Alexander Turtschinow eingesetzt worden. Nun musste er den Verwaltungssitz unter wüsten Beschimpfungen verlassen. Auf dem Dach hissten Aktivisten die russische Fahne.

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Auch in der östlichen Großstadt Donezk forderten Tausende Demonstranten ein Referendum über einen Beitritt zu Russland. Zudem blockierten sie eine Kundgebung für die ukrainische Einheit, bei der auch der Politiker und Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko sprechen sollte.

Russische Kontrolle

Die Halbinsel Krim, die de facto bereits vollkommen von russischen Kräften kontrolliert wird, steht indessen vor einer Zerreißprobe. Kommenden Sonntag sollen die 2,5 Millionen Bewohner der Region über einen möglichen Anschluss an die russische Föderation abstimmen. Für Russlands Präsident Putin ein "völlig legitimer" Vorgang. EU und USA sehen dies anders: Sie bezeichnen die Abstimmung als illegal und drohen der Regierung in Moskau mit Sanktionen, sollte Russland die territoriale Integrität der Ukraine verletzten.

Im Zentrum der Krim-Hauptstadt Simferopol lässt der selbst ernannte moskautreue Regierungschef Sergej Aksjonow indessen bereits die ersten Mitglieder einer eigenen Armee vereidigen. In der Hafenstadt Sewastopol, wichtigster Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte, kam es am Sonntag zu ersten Schlägereien zwischen pro-russischen und pro-ukrainischen Demonstranten.

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Völlig bewegungsunfähig ist auch die ukrainische Marine auf der Krim. Die russische Marine versenkte einfach alte Schiffe vor den ukrainischen Anlegestellen – womit die ukrainischen Schiffe am Auslaufen gehindert sind.

Neben dem Militärflugplatz Belbek und dem zivilen Airport in Simferopol haben prorussische Kräfte auch einen Militärflughafen nahe der Stadt Saki besetzt.

Die Regierung in Kiew greift zu verzweifelten Gegenmaßnahmen. Der moskautreuen Führung im Simferopol wurde am Sonntag der Geldhahn zugedreht. Doch diese hat sich bereits mit der Bitte an Moskau gewandt, bei russischen Banken Konten eröffnen zu dürfen.

Die Szenen haben etwas Gespenstisches: Zehntausende Ukrainer strömen über den Maidan, den Unabhängigkeitsplatz in Kiew. Es herrscht eine eigentümliche Stille, nur unterbrochen von den Gesängen vor der Bühne, auf der eine Messe gelesen wird. In der Luft hängt nach wie vor der Geruch von Bränden, von den Auseinandersetzungen der vergangenen Wochen.

Viele Barrikaden sind noch besetzt, Mahnmale der Ereignisse im Kampf um mehr Freiheit, die das Regime Janukowitsch zu Fall gebracht haben. Zwischen Autoreifen, Gasmasken, Pflastersteinen und Schilden liegen Fotos von Aufständischen, die dabei ihr Leben ließen. Die Passanten legen Blumenstrauß um Blumenstrauß nieder.

Unter ihnen: Außenminister Sebastian Kurz. Während sich die Krise auf der Krim weiter zuspitzt, machte sich der Minister am Sonntag in die Hauptstadt Kiew auf. Die Visite erfolgt im Rahmen des Europarates, dessen Vorsitz Österreich gerade innehat, gemeinsam mit Europarats-Vorsitzendem Thorbjörn Jagland.

Treffen mit Premier

Kurz traf bereits am Sonntag nach einem Besuch des Unabhängigkeitsplatzes in Kiew unter anderen den früheren Wirtschafts- und Außenminister Petro Poroschenko und den neuen Chef des Sicherheitsdienstes SBU, Valentyn Nalivaitschenko. Heute sind Gespräche mit der neuen ukrainischen Führung, Präsident Alexander Turtschikow, Premier Arseni Janzenjuk und weiteren Ministern geplant.

Ziel der Mission in Kiew ist nicht die Vermittlung im Konflikt um die Krim. Der Europarat will vielmehr die neue ukrainische Führung beim Aufbau der Rechtsstaatlichkeit und beim Umgang mit den Minderheiten unterstützen – eine Voraussetzung für ein künftiges friktionsfreies Zusammenleben mit der russischsprachigen Minderheit und deshalb "von Brisanz, weil Russland für sein gegenwärtiges Handeln ja den Schutz der russischen Minderheit angibt", so Kurz.

Die Abschaffung von Russisch als Regionalsprache durch das Parlament (vom Parlamentspräsidenten aber noch nicht unterzeichnet), nannte Kurz einen "schlechten Schritt".