Politik/Ausland

Gaza: Waffenruhe hat Bestand

Nach der Einigung auf eine Waffenruhe hat die Hamas im Gazastreifen ein Ende der israelischen Blockade-Politik verlangt. „Wir haben dem zionistischen Feind (Israel) eine Lektion erteilt“, sagte der Chef der Hamas-Regierung, Ismail Hanija. Nun müsse Israel endlich die Grenzen öffnen, um den Palästinensern im Gazastreifen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

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Nach acht Tagen schwerer Kämpfe hatten Israel und die militanten Palästinenser im Gazastreifen am Mittwoch ein Ende der Raketenangriffe und Bombardements vereinbart. Das verkündete der ägyptische Außenminister Mohammed Kamel Amr am Abend in Kairo im Beisein von US-Außenministerin Hillary Clinton (Bild).

Die Waffenruhe hat zunächst gehalten. Eine Armeesprecherin in Tel Aviv sagte am Donnerstag, seit Mitternacht habe es keine Raketenangriffe mehr auf israelische Städte gegeben. Auch Israels Luftwaffe habe keine Ziele im Gazastreifen angegriffen.

In der Nacht auf Donnerstag ließ Israel allerdings im Westjordanland 55 mutmaßliche Mitglieder radikaler Palästinenserorganisationen festnehmen. Hintergrund der Aktion seien "die jüngsten terroristischen und gewaltsamen Aktivitäten" im Westjordanland.

Details der Vereinbarung

- Israel muss alle feindseligen Aktionen im Gazastreifen von Land, von See und aus der Luft stoppen. Dazu gehören auch Überfälle und gezielte Angriffe auf Personen.
- Die palästinensischen Gruppierungen müssen alle Feindseligkeiten vom Gazastreifen gegen Israel beenden, darunter das Abfeuern von Raketen und Angriffe auf die Grenzen.
- Innerhalb von 24 Stunden nach Inkrafttreten der Waffenruhe müssen die Grenzübergänge geöffnet sein und das Überqueren der Grenze durch Menschen ermöglicht werden, dies gilt auch für Waren. Es ist untersagt, die Bewegungsfreiheit der Menschen einzuschränken oder sie an der Grenze anzugreifen.
- Ägypten erhält Garantien, dass beide Seiten sich an die Vereinbarungen halten. Jede Partei ist verpflichtet, auf Aktionen zu verzichten, die diese Übereinkunft brechen.

Mit dem Beginn der Waffenruhe hätte Israel sein unmittelbares Ziel erreicht, ein Ende der Raketenangriffe aus der Enklave zu erreichen. Die im Gazastreifen regierende radikal-islamische Hamas aber verlangt unter anderem ein Ende der seit fünf Jahren andauernden Blockade durch Israel und auch immer noch durch Ägypten.

In diesem Punkt dürfte es noch schwierige Verhandlungen geben. Ganz zu schweigen von Verhandlungen über einen eigenen Palästinenserstaat, die seit Jahren auf Eis liegen.

Angriffe auf Tel Aviv

Bis zuletzt waren die Angriffe unvermindert weitergegangen. In Tel Aviv hatte es am Vormittag erstmals seit mehr als sechs Jahren wieder einen Bombenanschlag auf einen Stadtbus gegeben und die Hoffnungen auf einen schnellen Frieden zunächst gedämpft. Dabei wurden etwa 20 Menschen verletzt. Insgesamt starben seit Mittwoch vergangener Woche fast 160 Palästinenser und fünf Israelis. Fast 1300 Menschen wurden verletzt.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte in einer ersten Stellungnahme, er wolle der Waffenruhe eine Chance geben. Gleichzeitig drohte er, eine Bodenoffensive im Gazastreifen könnte in Zukunft durchaus noch notwendig werden. Gemeinsam mit den USA wolle man entschieden gegen Waffenschmuggel aus dem Iran in den Gazastreifen vorgehen."Israel kann nicht untätig dasitzen, während Hamas sich aufrüstet." Bei einem Telefonat mit US-Präsident Barack Obama habe er "dessen Empfehlung angenommen, dem ägyptischen Vorschlag über eine Waffenruhe zuzustimmen".

"Die Militäroperation ist abgeschlossen, der Wahlkampf hat begonnen", kommentierte die Zeitung Jerusalem Post die Einigung. Netanjahu will nach Einschätzung von Kommentatoren aus einer Position der Stärke in die Parlamentswahl im Januar 2013 gehen.

Der Terroranschlag von Tel Aviv machte die Arbeit der i­nternationalen Vermittler noch schwieriger. Dennoch hieß es am Abend, man habe sich auf einen Waffenstillstand geeinigt – nach einem Tag schwerer Angriffe.

Zuvor hatte Clinton innerhalb weniger Stunden die wichtigsten Player des Konflikts kontaktiert. Vor ihrem Weiterflug nach Kairo traf sie am Mittwoch noch Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas in Ramallah. Er hat zwar keinen direkten Einfluss auf den Gazastreifen, sehr wohl aber auf die Stimmung im Westjordanland.

Am Abend zuvor hatte Clinton mit Israels Premier Benjamin Netanyahu, Außenminister Avigdor Lieberman und Verteidigungsminister Ehud Barak verhandelt. Ihre Botschaft war klar: Die USA wollen eine „dauerhafte Regelung“, die den Forderungen Israels und der Palästinenser Rechnung trägt.

Verbindungsglied zur Hamas im Gazastreifen, die vom Westen als Gesprächspartner boykottiert wird, ist Ägypten. Und so war es Kairo, wo der neue Waffenstillstand verkündet wurde. Die dort demokratisch gewählte Muslimbruderschaft hegt Sympathien für die Hamas. Andererseits ist auch die neue Führung auf US-Unterstützung angewiesen. Deshalb hält sie trotz aller Kritik an Israel an den diplomatischen Beziehungen zu Jerusalem fest. Präsident Mohammed Mursi ist Realpolitiker genug, um zu verstehen, dass ihm ein dauernder Tummelplatz für Extremisten im Gazastreifen und auf der Sinai-Halbinsel gefährlich werden kann.