Politik/Ausland

Frontex: Es braucht legale Migrationswege

Einer insbesondere von Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) seit Monaten geforderten "Schließung" der Mittelmeerroute steht die EU-Grenzschutzagentur Frontext skeptisch gegenüber. Frontex-Sprecherin Ewa Moncure meinte im Interview mit der APA, sie wisse nicht, wie das gehen sollte: "Das Mittelmeer ist 2,5 Millionen Quadratkilometer groß, das ist ein sehr großes Gebiet."

Der Schlüssel für das komplexe Problem liege darin, Menschenschmuggel und Schleppernetzwerke effektiv zu bekämpfen. Parallel dazu brauche es die Schaffung legaler Wege für Migration, die Zusammenarbeit mit Transit- und Herkunftsländern sowie Lösungen für eine Rückkehr von Flüchtlingen aus afrikanischen Ländern in ihre Herkunftsländer. "Das ganze braucht Zeit und inzwischen, auch während wir sprechen, retten Schiffe Menschen im Mittelmeer", so die Frontex-Sprecherin.

Die Grenzschutzagentur warnt davor, dass die Zahl der Ankünfte über das Mittelmeer in den kommenden Monaten weiter steigen werde. "Die zentrale Mittelmeerroute ist die derzeit wichtigste und die einzige Route, bei der die Zahlen steigen", sagt Moncure. "Wir müssen darauf vorbereitet sein, dass die Zahlen heuer genau so hoch sein werden wie vergangenes Jahr oder höher", sagt die Sprecherin. Im vergangenen Jahr sind 180.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Italien angekommen.

Überfahrt wird immer gefährlicher

Zugleich wird die Überfahrt für die Migranten immer gefährlicher, weil die Schlepper versuchen, zunehmend Kosten zu sparen. Immer mehr Menschen werden auf immer kleinere und kaum seetaugliche Schlauchboote gepfercht. "Vor drei Jahren hatten wir 90 Leute pro Gummiboot, jetzt sind 150 bis 180 Menschen drauf." Hinzu komme seit längerem, dass die Flüchtlinge nicht genug Wasser und nicht ausreichend Benzin dabei hätten.

"Was neu ist, ist dass die Schlepper den Migranten sogar den Motor wegnehmen, sobald sie internationales Gewässer erreicht haben und sie treiben lassen", erklärt die Frontex-Sprecherin. Ergebnis sei, dass die Zahl der Toten steige.

Eine weitere Veränderung, die Frontex registriert habe, ist die Zusammensetzung der ankommenden Menschen. So sei der Anteil der Menschen aus Ostafrika in den vergangenen Monaten zurückgegangen. "Nicht weil sich die Situation in Ländern wie Eritrea, Somalia oder Sudan gebessert hätte, die ist weiterhin schwierig, sondern weil die Grenzkontrollen in der Region durch die Nachbarländer verstärkt wurden", sagt Moncure. Dafür kämen mehr Westafrikaner - die bereits zuvor den Großteil der Ankommenden stellten - über das Mittelmeer nach Italien. Als einzige signifikante Gruppe von Nicht-Afrikaner seien interessanterweise auch Bangladeschis unter den Migranten, die über das Mittelmeer kämen. "Sie erhalten in Bangladesch offenbar Visa für Libyen, steigen dort aufs Boot und fahren nach Italien", sagt Moncure.

Rettungseinsätze müssten weitergehen

Frontex hatte die Hilfsorganisationen im Mittelmeer kritisiert, weil sie mit ihren Rettungseinsätze, die immer näher an der libyschen Küste stattfinden, den Schlepper das Geschäft erleichtern würden. Dazu und zu den immer noch unbewiesenen Behauptungen eines italienischen Staatsanwalts, NGOs würden mit Schleppern zusammenarbeiten, meint die Sprecherin: "Es ist eine sehr große Herausforderung, Menschen zu retten und nicht dem Geschäftsmodell der Schleppern in die Hände zu spielen."

Ein Ende der Rettungseinsätze im Mittelmeer sei jedenfalls keine Lösung, betont sie. Es müsse eine ganzheitliche Lösung geben, denn die Flüchtlingsroute sei lang. "Wenn die Leute einmal auf See sind, ist das nur die letzte Etappe ihrer Reise. Diese Leute haben ihr Zuhause aus einem bestimmten Grund verlassen, sie haben ihr Leben riskiert, um die Sahara zu durchqueren und wurden unterwegs misshandelt." Eine Lösung zur Eindämmung der Migration dürfe sich daher nicht nur auf die letzte Etappe der Flucht beziehen.