"Sie glauben allen Lügen im sozialen Netz"
Von Andreas Schwarz
Vielleicht hat man 2012 bei dem Anschlag auf jüdische Kinder die Gefahren übersehen – aber jetzt hat die Nation verstanden, dass der dschihadistische Terrorismus die Grundwerte unserer Gesellschaft und den Rechtsstaat angegriffen hat." Der Terror von Paris habe das Land verändert, sagt Pascal Teixeira da Silva, französischer Botschafter in Wien, der am Freitag den KURIER besuchte.
Die neue Dimension des Terrors sei, dass die Täter nicht von außen kämen, sondern in Frankreich geboren und aufgewachsen seien, entweder in zweiter, dritter Zuwanderergeneration oder als Konvertiten zum Islam.
Kurzfristig brauche es als Reaktion darauf alle Sicherheitsvorkehrungen, Internetüberwachung und die "Überwachung der Gesellschaft, ihre Beobachtung" in neuralgischen Gebieten. Zudem müsse es die Vernetzung von Fluggastdaten und Polizei, wie sie in Frankreich eingeführt wurde, in ganz Europa geben, auch wenn sich das EU-Parlament noch dagegen stemme.
Fehlende Bildung als Ursache
Die Ursache für den Zulauf zu den Dschihadisten sieht Teixeira da Silva im sozialen Milieu der Betroffenen: in der fehlenden Bildung ("Die Jungen lesen keine Zeitung, haben auch nur rudimentär religiöse Kenntnisse und glauben alle Lügen in sozialen Netzen"); in der Perspektivlosigkeit, die Ressentiments schüre ("160.000 verlassen jährlich das Bildungssystem ohne Ausbildung"); in der Gettoisierung ("Gemeinden müssen zwar 20 Prozent Sozialwohnungen haben, aber das funktioniert in der Realität nicht, und wer Arbeit hat und besser verdient, zieht aus den Sozialsiedlungen weg").
Die Vermittlung von Werten, etwa über einen einzuführenden Zivildienst, die Rückkehr der Autorität des Staates in die Gettos, und die Beseitigung von Arbeitslosigkeit und dem Gefühl sozialer Vernachlässigung seien Aufgaben, die nicht schnell gingen, sondern Frage mindestens einer Generations sei, ist sich der Botschafter bewusst.