Politik/Ausland

Monsieur scheut keine Tabus

Der französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, 38, steht für das, wogegen jetzt Tausende demonstrieren. Er kritisiert die 35-Stunden-Woche, die Beschäftigungsgarantie für Beamte, und er brachte ein Gesetz zur Liberalisierung der Sonntagsarbeit durch. In der französischen Linken ist der ehemalige Investmentbanker von der Rothschild-Bank unten durch. Dennoch gehört er zu den beliebtesten Ministern der Republik.

Macron galt als loyaler Mitstreiter von Präsident François Hollande, doch jetzt, ein Jahr vor der Wahl, hat er die Gründung einer neuen politischen Bewegung angekündigt. Das tun Präsidentschaftsanwärter manchmal. Ségolène Royal etwa nannte ihre Bewegung vor ihrer Kandidatur 2007 Désirs d’Avenir, Sehnsucht nach Zukunft.

"Ich habe Lust, mehr für mein Land zu tun", sagte Macron im März. Deswegen versammle er regelmäßig Intellektuelle und Politiker um sich – "um zu überlegen, vorzubereiten, nachzudenken".

Am Mittwoch dann die Ansage in seiner Heimatstadt Amiens: Er habe entschieden, "dass wir eine neue politische Bewegung gründen". Die Bewegung heißt En Marche, vorwärts, in Bewegung. Man wolle sich in der politischen Mitte positionieren, "nicht links, nicht rechts". Angesichts der Blockade der Gesellschaft solle die Bewegung für eine neue Dynamik in Frankreich sorgen. Es sei der Versuch "voranzukommen".

Der 38-Jährige ist Tabubrüche seit frühester Jugend gewohnt. Als 16- oder 17-jähriger Musterschüler verliebte er sich unsterblich in seine 20 Jahre ältere Französischlehrerin Brigitte Trogneux im Jesuitengymnasium seiner Heimatstadt Amiens. Und die dreifache Mutter erwiderte diese Liebe, jedenfalls trug sie seine selbstverfassten Gedichte sehr gerührt der Klasse vor.

Ehe mit der Lehrerin

Macrons Eltern, ein Ärzteehepaar, wollten den heraufziehenden Skandal verhindern und schickten ihren Sohn ins Exil nach Paris. Der hochbegabte Schüler maturierte am Elite-Gymnasium Henri IV, studierte Philosophie auf der Elitehochschule Sciences Po, absolvierte die ENA, die Verwaltungshochschule und Kaderschmiede für den Politnachwuchs – und vergaß seine Brigitte, genannt Bibi, nie. 2007 heiratete das Paar.

Bibi ist heute stolze Großmutter von sechs Enkelkindern und Macron soll sich immer sehr auf die Wochenenden mit den Kleinen freuen, erzählen seine Mitarbeiter. Bibi sieht fantastisch aus, ist hochgebildet, eloquent und in Frankreich gar kein großes Thema.

Auch die Karriere im Finanzministerium verlief steil bergauf, bis ihn David de Rothschild in seine Bank holte und persönlich protegierte. Mit 34 Jahren hatte es Macron zumindest finanziell geschafft: Als Nestlé die Säuglingssparte des US-Pharmakonzerns Pfizer um neun Milliarden Euro kaufte, erhielt Macron eine siebenstellige Provision.

Gegen den Stillstand in Frankreich konnte bisher auch der Wirtschaftsminister wenig ausrichten. Eine Gesetzesvorlage von ihm, genannt "Loi Macron", wuchs sich nach 3000 Änderungsanträgen zu einem Paragrafenwerk mit 200 Zusatzartikeln aus. Jetzt will er neu durchstarten.