Politik/Ausland

Milizionär bestätigt MH-17-Abschuss

Vor einer Woche krachte Flug MH 17 in der Ostukraine zu Boden. Ein Abschuss, um den sich zahllose Gerüchte und Theorien ranken – vor allem darum, wer womit geschossen hat. Immer mehr scheint sich aber zu bestätigen, dass der Jet von Rebellen irrtümlich mit einem zuvor in der Region gesichteten BUK-Luftabwehrsystem abgeschossen wurde. Dass alles darauf hindeute, sagte am Mittwoch auch der Vizepremier der Separatisten, Andrej Purgin – ohne freilich anzudeuten, wer geschossen habe.

Die BUK-Theorie wird durch einen Rebellen in der italienischen Zeitung Corriere della Sera untermauert. Der Mann sagte, seine Einheit habe nach dem gemeldeten Abschuss einer angeblich ukrainischen Maschine den Befehl erhalten, nach Überlebenden und Fallschirmspringern zu suchen. An der Absturzstelle hätten sie aber nur Leichen von Zivilisten entdeckt.

Rebellen hatten Raketen

Laut ukrainischen Quellen soll die BUK-Einheit gleich nach dem Abschuss bei Nacht und Nebel nach Russland transferiert worden sein. Moskau dementiert. Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters gab einer der Rebellenführer, Alexander Khodakovsky, zu, dass die Aufständischen eine BUK-Einheit besessen hätten. „Ich glaube, sie haben sie zurückgebracht.“ Das Raketensystem könnte aus Russland gekommen sein. Denn die BUK-Einheiten, die die Separatisten in der Ukraine erbeutet hätten, seien nicht funktionstüchtig gewesen. Die Ukraine habe von der Flugabwehranlage gewusst, behauptete Khodakovsky, und hätte durch den Einsatz von Kampfjets einen Abschuss provoziert – wissend, dass zivile Flugzeuge dadurch in Gefahr geraten könnten. Auch die New York Times zitiert einen auf das BUK-System angesprochenen Kämpfer: „Wir hatten etwas – aber es ist weg.“

All das passt zu abgehörten Telefonaten, die sich in der Hand des ukrainischen Geheimdienstes SBU befinden. Aus dem Gespräch zwischen einem Feldkommandanten und dem Militärchef der Separatisten, Igor Girkin, lässt sich schließen, dass die Rebellen den Zivil-Jet für einen ukrainischen Truppentransporter gehalten hatten. Russland weist das zurück und sagt, der Jet sei von einer ukrainischen MIG oder ukrainischen BUK-Rakete abgeschossen worden.

Mit dem Abschuss hat Moskau in der Ukraine-Krise den bisher schwersten Dämpfer erhalten – während die ukrainische Armee Gebiet erobert. Am Mittwoch aber verlor sie gleich zwei Kampfjets, die laut Kiew von Russland aus abgeschossen wurden.

Die Rebellen haben alles zu verlieren und wehren sich verbissen gegen den ukrainischen Vormarsch. Sie fürchten, angesichts des internationalen Drucks von Russland im Stich gelassen zu werden, ein Arrangement mit Kiew ist ausgeschlossen. Das Innenministerium äußerte gar die Vermutung, dass Russlands Geheimdienste planten, Zeugen des MH-17-Abschusses zu beseitigen. Allen voran Girkin, einen russischen Staatsbürger mit angeblich besten Verbindungen zum russischen Militärgeheimdienst GRU.

Militärisch in der Defensive und die „Hauptstadt“ Donezk von zwei Seiten belagert, denken die Rebellen aber anscheinend nicht ans Aufgeben. In den Straßen Donezks tauchten am Mittwoch neuwertige Toyota-Polizeiautos mit Wappen und Nummernschildern des ausgerufenen Staates „Neurussland“ auf.

Inzwischen wurden die ersten Opfer des Absturzes in die Niederlande überstellt.

Wenn die EU-Botschafter der Mitgliedsstaaten am Donnerstag in Brüssel beraten, wird es vor allem auch um ein Thema gehen: Ein Waffenembargo gegen Russland. Ein besonders sensibles Thema. Der Deal zwischen Frankreich und Russland über zwei französische Hubschrauberträger des Typs Mistral ist da nur die Spitze eines ganzen Wirtschaftszweiges, der in Russland gute Geschäfte macht.

Es war ein gehöriges Fettnäpfchen, das der für Waffenexporte zuständige Ausschuss des britischen Parlaments am Mittwoch für Premier David Cameron bereitete: Da war von 250 gültigen Ausfuhrlizenzen für nach Russland gehende Militärgüter die Rede. Darunter Scharfschützengewehre, Nachtsichtgeräte, Munition, Schutzwesten und Kommunikationsausrüstung. Dumm nur, dass Cameron erst vor wenigen Tagen Frankreich scharf wegen des Mistral-Deals angegriffen hatte.

In den vergangenen Jahren hatte Russland mit einer Vielzahl europäischer Unternehmen Deals abgewickelt. Darunter der italienische Konzern IVECO (Schützenpanzer) oder auch das österreichische Unternehmen Steyr-Mannlicher (Scharfschützengewehre). Seitens Steyr-Mannlicher hieß es gegenüber dem KURIER, man habe derzeit keine Verträge über ausfuhrgenehmigungspflichtige Güter laufen.

Klar ist: der Konflikt mit der Ukraine hat auch Auswirkungen auf Russlands Rüstungsindustrie. Bisher kamen etwa Hubschraubertriebwerke und Raketenteile aus der Ukraine. Kiew hat alle Rüstungsexporte nach Russland gestoppt.

Nicht zuletzt ist das Thema aber auch für Russland heikel – ist die Rüstungsindustrie doch ein Fundament russischen Stolzes. Und der Umstand, von NATO-Technik abhängig zu sein, wird nicht von wenigen Russen als Schmähung aufgefasst.

Die Daten des Cockpit-Stimmenrekorders der im umkämpften Osten der Ukraine abgestürzten Passagiermaschine sind nach Angaben der niederländischen Ermittler unversehrt. Das Gerät sei zwar beschädigt, es weise aber keine Zeichen von Manipulation auf, erklärte das Niederländische Untersuchungsbüro für Sicherheit (OVV) am Mittwoch.

Der Stimmenrekorder wurde von der OVV zur Auswertung ins britische Farnborough weitergegeben. Laut OVV konnten die Daten aus dem Stimmenrekorder "erfolgreich heruntergeladen" werden. Sie müssten nun weiter "analysiert und untersucht" werden. Die Arbeit am Flugdatenrekorder, neben dem Cockpit-Stimmenrekorder die zweite sogenannte "Black Box", werde am Donnerstag beginnen.