Politik/Ausland

Merkels Rückhalt bröckelt langsam

Zwischen Harmonie und Dissens lag nur eine Stunde. Donnerstagabend präsentierte Angela Merkel noch gut gelaunt ihr großes Flüchtlingspaket – ein Maßnahmenbündel, das die vielen Streitpunkte mit den Ländern aus der Welt schaffen soll. Seit Langem stöhnen die unter dem hohen Mittelaufwand, jetzt nimmt ihnen der Bund einen Teil der Last: 670 Euro pro Flüchtling werden künftig bezahlt, die Länder bekommen zwei Milliarden mehr als geplant. Auch das Asylrecht wird verschärft – so wird etwa die Zeit, die Asylwerber in Erstaufnahmelagern bleiben, auf sechs Monate verdoppelt.

Der Applaus kam umgehend – ein Erfolg auch für denjenigen, der dies zu verantworten hat, könnte man meinen. Doch Innenminister Thomas de Maizière saß bei der Präsentation nicht am Podium, obwohl er entscheidend mitverhandelt hat. Schon seit Wochen steht er in der Kritik, als Krisenmanager nicht richtig zu agieren, zu spät reagiert zu haben. Er war das Sinnbild der Hilflosigkeit – der überforderte Bürokrat, der sich Prügel von Ländern, Opposition und Koalitionspartner SPD gefallen lassen musste. Prügel, die oft auch Merkels "Wir schaffen das"-Mantra galten.

Befreiungsschlag

Kritik, die offenbar an de Maizière genagt hat. Nur eine Stunde nach Merkels Auftritt machte sich der Innenminister bei Maybrit Illner Luft."Außer Kontrolle geraten ist es mit der Entscheidung, dass man aus Ungarn die Menschen nach Deutschland holt. Das war eine so große Zahl, dass es nicht mehr geordnet ging." Ein kleiner Befreiungsschlag mit großer Wirkung: Die Entscheidung ging nämlich allein auf Merkels Kappe.

Mit de Maizière fällt Merkel einer ihrer Loyalsten in den Rücken. Sie und der gebürtige Bonner kennen einander seit der Wende, er hat sie in den Berliner Politikbetrieb geholt, sie ihn später ins Ministerbüro – er war Kanzleramtschef, Verteidigungs- und Innenminister. Und noch nie war er einer, der seine Chefin offen kritisierte. Aber er steht mit seiner Kritik nicht allein da: Einige CDUler sind irritiert von Merkels Beharrlichkeit, ihren Unmut äußern sie aber nur leise – man will sich nicht dem Poltern der CSU anschließen. In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, wo 2016 gewählt wird, geht man offener auf Distanz. Die Angst vor einer Schlappe ist groß.

Beobachter meinen, Merkel überfordere die CDU – wie bei der Energiewende, bei der das Ergebnis aber für sie spricht. Die Frage ist nur, ob sie jetzt trotz Gegenwinds durchhält und sich nicht zu weit von der Basis entfernt. De Maizière bemühte sich am Donnerstag noch, seine Aussage etwas zu relativieren. "Wir sind jetzt dabei, die Dinge wieder etwas zu ordnen", sagte er. Zu diesem Zeitpunkt saß Merkel aber schon wieder im Flugzeug.