Familie Ortega sichert ihre Macht in Nicaragua
Nicaragua war einmal der Sehnsuchtsort der internationalen Linken. Zuletzt entwickelte sich das mittelamerikanische Land allerdings in eine ganz andere Richtung. Präsident Daniel Ortega hat daran erheblichen Anteil.
Sozialistisch, christlich, solidarisch - so sieht Präsident Ortega sein Land. Tatsächlich gängelt der Ex-Guerillero die Opposition, fährt einen neoliberalen Wirtschaftskurs und soll Millionen Dollar Entwicklungshilfe über dunkle Kanäle auf die Konten seiner Familie umgeleitet haben.
Mehrheit weiter hinter Ortega
Trotzdem will ihn die Mehrheit der Nicaraguaner offenbar weiterhin in Amt und Würden sehen. Ersten Auszählungen zufolge stimmten bei der Wahl am Sonntag über 70 Prozent für den Staatschef. Künftig wird Ortega die Regierungsgeschäfte dann wohl auch ganz offiziell gemeinsam mit seiner Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo führen.
Die First Lady mit Hang zur Esoterik galt schon zuvor als die eigentliche starke Frau in Nicaragua. Der fast 71-jährige Ortega soll schwer krank sein. Müsste er sein Amt aus gesundheitlichen Gründen niederlegen, würde seine Frau übernehmen. "Sie wollen unbedingt sicherstellen, dass die Macht im Familienkreis bleibt", sagt die Ex-Guerillera Dora Maria Tellez von der Dissidentenpartei MRS.
Familie an zahlreichen Unternehmen beteiligt
Nach Einschätzung von Kritikern hat sich der Ortega-Clan das Land längst zur Beute gemacht. Die Familie ist an zahlreichen Unternehmen beteiligt, kontrolliert die Öl-Importe aus dem befreundeten Venezuela und steuert eine Reihe von Fernsehsendern. Sieben seiner Kinder hat Ortega an Schaltstellen in Politik, Wirtschaft und Medien platziert.
Ortega hat in seinen bisher drei Amtszeiten durchaus Erfolge erzielt. Zwar ist Nicaragua nach Haiti noch immer das zweit ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Aber der Zugang zu Bildung, Gesundheitsleistungen und Wohnraum wurde deutlich verbessert. Umfangreiche Sozialprogramme machen Ortega zu einem der populärsten Politiker der Region. Seine Strategie: "Verteile und herrsche."
Bescheidener wirtschaftlicher Erfolg
Nach Angaben der Weltbank sank der Anteil der armen Nicaraguaner von 42,5 Prozent im Jahr 2009 auf 29,6 Prozent im Jahr 2014. Der Anteil der Menschen, die in extremer Armut leben, ging von 14,6 Prozent auf 8,3 Prozent zurück. Beobachter geben allerdings zu bedenken, dass der bescheidene wirtschaftliche Erfolg des Armenhauses Mittelamerikas weniger mit der Regierungspolitik, sondern vielmehr mit den Überweisungen ausgewanderter Nicaraguaner aus den USA zusammenhängt.
Auch die Sicherheitslage ist relativ gut. Während Jugendgangs im Norden Mittelamerikas ihr Unwesen treiben, ist Nicaragua einigermaßen sicher. Trotz ideologischer Differenzen arbeiten die Behörden beispielsweise beim Kampf gegen den Drogenschmuggel eng mit den USA zusammen.
Autoritäre Kleptokratie
Allerdings hat sich das einstige Sehnsuchtsland der internationalen Linken zuletzt immer mehr in eine autoritäre Kleptokratie verwandelt. Ein Großteil der Subventionen des verbündeten Venezuela von jährlich 500 Millionen US-Dollar soll auf den Privatkonten der Familie Ortega verschwunden sein.
Zuletzt erregte die Regierung Aufsehen mit ihren Plänen, einen Kanal zwischen Atlantik und Pazifik zu bauen. Das 50 Milliarden Dollar schwere Megaprojekt ist auch in Nicaragua heftig umstritten. Treibende Kraft hinter dem Deal mit der chinesischen Firma HKND war einer von Ortegas Söhnen.
Beobachter warnen zudem vor den immer stärkeren autoritären Tendenzen in Nicaragua. Die Opposition wird gegängelt, soziale Bewegungen gegen Regierungsprojekte sehen sich Repressalien ausgesetzt. Der Ex-Guerillero Ortega hat mit der katholischen Kirche und der konservativen Unternehmerschaft einen Nichtangriffspakt geschlossen.
Zahlreiche Weggefährten haben sich abgewandt
Das Oppositionsbündnis Breite Front für die Demokratie (FAD) erkannte das Wahlergebnis nicht an. "Das war keine freie und transparente Wahl", sagt der ehemalige Präsidentschaftskandidat Luis Callejas, dessen Partei CND von der Wahl ausgeschlossen worden war. "Wir fordern die Wiederholung mit Transparenz, fairem Wettbewerb und unter unparteiischer internationaler Beobachtung."
Auch zahlreiche Weggefährten haben sich mittlerweile von Ortega abgewandt. Nach der Revolution gegen den Diktator Anastasio Somoza und während des Kampfes gegen die von den USA unterstützten Contras erfuhren die Sandinisten viel Unterstützung. Jetzt zementieren sie selbst ihre Macht. "Das ist traurig in einem Land, das so viel für seine Freiheit gekämpft hat", sagt die Schriftstellerin Gioconda Belli.