Ex-Chefredakteur Dündar: "Türkei steuert auf ein Gestapo-Regime zu"
Nach Meinung des früheren Chefredakteurs der Zeitung Cumhuriyet, Can Dündar, steuert die Türkei "gerade auf ein Gestaporegime zu". In einem am Montag erschienen Interview mit der Online-Ausgabe des Magazins Die Zeit sagte der im Exil in Deutschland lebende Journalist, es würde ihn nicht wundern, wenn die Todesstrafe wieder in der Türkei eingeführt wird.
Auch Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn äußerte seine Bedenken zu den aktuellen Entwicklungen in der Türkei. "Das sind Methoden, das muss man unverblümt sagen, die während der Nazi-Herrschaft benutzt wurden", sagte Asselborn am Montag (mehr dazu lesen Sie hier).
Zur derzeitigen Lage in seiner Heimat sagte Dündar weiter: "Morgens werden Häuser von Andersdenkenden, Intellektuellen und Politikern gestürmt, ohne dass das türkische Parlament eingebunden wird. Wissenschaftler werden aus Universitäten verbannt, Künstler verhaftet. Ihnen wird immer derselbe Vorwurf gemacht, am Ende ist es nur noch eine Hexenjagd." Das deutsche Volk müsse nur in seiner eigenen Geschichte blättern, um zu verstehen, wohin die Türkei gerade steuere.
"Es geht darum, Angst zu verbreiten"
Auch Mitglieder der kemalistischen Oppositionspartei CHP könnten ins Visier der Staatsanwälte geraten. "Es liegt in der Natur der Sache, dass ein unterdrückendes Regime jegliche Opposition ausschalten möchte. Es könnten auch Festnahmen innerhalb der AKP geben, sobald sich da jemand nicht mehr hinter die Regierung stellt. Vielleicht wird es ein ehemaliger Minister, vielleicht ein Staatspräsident."
Zum Thema Todesstrafe sagte Dündar, jedes autoritäre Regime träume davon. "Es geht darum, Angst zu verbreiten." Präsident Recep Tayyip Erdogan nehme jetzt keine Rücksicht mehr auf die EU, mit der Todesstrafe wolle er seine autoritäre Stellung festigen. Auf die Frage, ob das Parlament für die Todesstrafe stimmen werde, antwortete Dündar: "Die Massen werden derzeit darauf eingestimmt." Wenn die im Parlament vertretene rechtsnationalistische MHP das Vorhaben auch noch unterstütze, könnte die Todesstrafe tatsächlich wiederkommen. "Wundern würde es mich nicht mehr", fügte er hinzu.