Politik/Ausland

Europol-Experte: "Der IS ist noch fähig zu Anschlägen wie in Paris"

Ist ein kleines Land wie Österreich aktuell in Terrorgefahr? "Derzeit ist kein Land der EU sicher vor dieser Bedrohung", sagt Manuel Navarrete, Leiter der Anti-Terror-Abteilung bei Europol in Den Haag, dazu im Gespräch mit dem KURIER. "Man muss nur an Finnland oder Schweden denken."

Es gehe längst nicht mehr ausschließlich um große NATO-Länder wie Spanien, Frankreich oder Großbritannien. "Die Terroristen können sehr gut adaptieren auf die Verhältnisse der jeweiligen Stadt oder des Landes."

Dass das Terrorpotenzial des Islamischen Staates durch das Vorrücken von kurdischen Einheiten oder der regulären Armee in Syrien derzeit geschwächt ist, glaubt der Colonel der spanischen Polizeieinheit Guardia Civil nicht. "Der IS ist immer noch fähig zu großen Anschlägen wie beispielsweise in Paris oder Brüssel. Es ist sicherlich möglich, das zu wiederholen."

Navarrete geht davon aus, dass Planung, Rekrutierung und Einschleusung nach Europa weiterhin kein Problem für die Terrormiliz darstellen. Das Potenzial und das Know-how dafür seien in Rakka noch vorhanden, betont der Experte.

"Mehr Terrorfälle"

Der ranghöchste Anti-Terror-Polizist Europas meint außerdem, dass auch die Ermittlungen der einzelnen Behörden verbessert wurden. "Im Vorjahr hatten wir 124 Fälle mit Terrorbezug zu bearbeiten, heuer sind es jetzt bereits 175. Man muss sehr nah sein, um Terror zu bekämpfen", meint Navarrete, deshalb sei die Bekämpfung äußerst komplex.

Die Polizei in ganz Europa habe aber in den vergangenen Jahren viel dazugelernt und die Kräfte entsprechend umgeleitet. Auch die oft kritisierte Zusammenarbeit der Polizei in Europa sei "stärker als zuvor". Er gesteht aber ein, dass "noch Platz für Verbesserungen da ist. Das meiste passiert derzeit bilateral."

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Erst vor wenigen Tagen stellte sich etwa heraus, dass der Attentäter aus Turku (Finnland) 2016 ein Asylgesuch in der Schweiz gestellt hatte. Auf die Anti-Terror-Datenbank, in der der Mann offenbar schon gelistet war, hat die Schweiz aber keinen Zugriff, weil sie nicht EU-Staat ist. Allerdings hat der Attentäter mehrfach seinen Namen gewechselt und es ist unklar, ob dies geholfen hätte.

Die Zahl der Verhaftungen wegen Terrorismus in Europa zeigt deutlich nach oben. 2014 wurden laut Europol nur 395 islamistische Terroristen verhaftet, 2015 waren es 687 und im Vorjahr 718.

Interessant dabei: Finanziert werden 40 Prozent der Terrorfälle durch Drogenverkauf, Diebstahl, Überfälle oder Betrug. Und die Täter sind sehr jung, jeder Dritte ist nicht einmal 25 Jahre alt.

Einsame Wölfe

Navarrete rechnet heuer jedenfalls noch mit weiteren Anschlägen, wie er gegenüber dem KURIER sagt. Vor allem das Problem der "foreign fighters", aus Syrien zurückgekommene Kämpfer, sei ein anhaltend großes Problem.

Der Terrorismus sei auch "weniger professionell geworden", mittlerweile reichten Autos oder Messer für Anschläge. "Das wird 2017 so weitergehen", glaubt der Colonel.

Teilweise haben die Angreifer keine wirkliche Verbindung zum Islamischen Staat, würden aber in dessen Namen angreifen. Solche "Einsamer-Wolf-Anschläge" dürfte es noch einige Zeit lang geben.

Warnung vor Drohnen

Auch das Innenministerium in Wien hat zuletzt darauf verwiesen, dass es seit Juni zehn islamistische Angriffe in Europa gegeben hat.

Europol warnt in seinem Anti-Terror-Bericht bereits vor dem Einsatz von Drohnen. Diese Taktik habe sich in Syrien und dem Irak als äußerst wirksam erwiesen, es sei nur mehr eine Frage der Zeit, bis sie auch in Europa eingesetzt werde.