"Auf mich wurden Schmutzkübel geworfen"
Von Marie North
Die beiden Spitzenkandidaten der großen Parteien, Eugen Freund für die SPÖ und Othmar Karas für die ÖVP, haben sich am Sonntag den Fragen in der ORF-Pressestunde gestellt.
Gleich zu Beginn der Pressestunde am Sonntag geht es um die dicke Haut des Eugen Freund: "Auf mich wurden Schmutzkübel geworfen", ärgert sich der SPÖ-Spitzenkandidat. Fügt aber schnell hinzu: "Trotzdem macht es mir jeden Tag mehr Freude." Tausende Kilometer habe Freund bereits im Wahlkampf zurückgelegt, viele Leute kennengelernt und neue Facetten Österreichs erfahren. Als er auf weitere Pannen in der Vergangenheit und im Wahlkampf angesprochen wird, zeigt sich Freund überraschend gereizt und angriffig. Persönliche Vorwürfe, wie die Spesenaffäre aus seiner USA-Korrespondentenzeit, will er schnell abhandeln. Lieber besinnt er sich auf europäische Themen. Demonstrativ hat sich der SPÖ-Spitzenkandidat eine Europafahne ans Jackett gepinnt.
"Schere zwischen Arm und Reich ist in Europa größer geworden", betont Eugen Freund. Arbeit werde zu hoch besteuert, Vermögen zu niedrig: Nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa. Eine Wahlempfehlung spricht er anschließend auch aus: "Wählt sozialdemokratisch, damit Martin Schulz Kommissionspräsident wird", äußert sich Freund gesamteuropäisch und verlässt damit den nationalen Wahlkampf.
"Schließe SPÖ-Mitgliedschaft nicht aus"
Ob er künftig doch der SPÖ beitreten möchte? Er schließe einen Parteieintritt nicht mehr aus, notwendig sei er aber auch nicht, betont Freund. Sein Vorbild ist aber klar sozialdemokratisch: Kreisky war ein Leuchtturm in Europa, eine Lichtgestalt in Österreich, sagt der ehemalige ZiB-Moderator.
Dann wird die Eurokrise debattiert. Banken dürfen keine EZB-Kredite bekommen, so Freund. Mit dem Geld werde lediglich wieder spekuliert. Programme für die Bevölkerung und für Arbeit hätten umfassender eingeführt werden müssen, um die Folgen der Krise geringer zu halten. Aus Österreich will Freund vor allem ein Erfolgsmodell ins EU-Parlament mitbringen: "Ich möchte Botschafter des dualen Ausbildungssystems in Brüssel werden."
Bezüglich der Ukraine argumentiert Freund, dass alles für eine friedliche Lösung getan werden müsse, um Sanktionen und eine mögliche Energieknappheit dürfe es nicht gehen: "Nicht weiter Öl ins Feuer gießen" ist seine Devise.
"Türkei hat sich von Europa entfernt"
Ein Wordrap soll anschließend ein wenig Spannung und Würze in die unaufgeregte Debatte bringen. Die EU ist zu bürokratisch? Ein Ja oder Nein ist dem Kandidaten nicht zu entlocken, er bringt das Oliven-Öl-Kännchen für zu viel Bürokratie ins Spiel. "Euro ist ein Teuro?" Absolut falsch, sagt Freund. "EU ist das größte Friedenswerk?" Kurze Pause, dann bestimmt: "Richtig". Türkei als EU-Mitglied? "Die Türkei hat sich mit Erdogan von Europa entfernt." Flüchtlingsdrama im Mittelmeer: "Muss ein Ende nehmen."
Zum Abschluss noch eine Wertschätzung für ESC-Gewinnerin Conchita Wurst: "Ich bin gegen jede Diskriminierung in diesem Bereich," sagt Eugen Freund - gewohnt trocken, aber doch mit einer kleinen Spur neuer Souveränität.
Nach Eugen Freund nimmt ÖVP-Spitzenkandidat für die Europawahlen, Othmar Karas, in der ORF-Pressestunde Platz. Konkrete Antworten bleibt er oftmals schuldig, die ÖVP kommt nur ganz selten ins Spiel.
Kein Initiativrecht, aber was kann das EU-Parlament?
Das europäische Parlament habe eine Vereinbarung mit der Kommission, dass jede Initiative des Parlaments von der Kommission beantwortet werden müsse, so Karas. "Wir sind viel einflussreicher als so manches nationales Parlament." Über 90% der Gesetze würden nicht so beschlossen werden, wie es die Kommission ursprünglich vor hatte will – im Gegensatz zu nationalen Parlamenten.
Wer wird Kommissionspräsident?
Bei der kommenden Wahl stehen die europäischen Spitzenkandidaten im Fokus. Sie kandidieren diesmal auch gleich als Kommissionspräsident. Ist sichergestellt, dass der Sieger auch wirklich an die Spitze der Kommission gewählt wird? Karas: "Ich lasse mich von keinem Staats-oder Regierungschef pflanzen." Unter den Regierungschefs sei das so vereinbart. Und: "Glaubwürdigkeit kann man nur gewinnen, wenn man Wort hält."
OK statt ÖVP
Karas verzichtet auf seinen Wahlplakaten auf das Logo der ÖVP. Sorgt das nicht für Verwirrung? Im europäischen Parlament seien die Menschen stärker als die Parteien, führt Karas aus: "Personen sind stärker als Institutionen und ich will daran gemessen werden. Was ich denke, sage ich und was ich sage, tue ich." Laut Karas stehe ich Volkspartei mit Karas außerdem auf dem Stimmzettel, er versteht die Verwirrung nicht.
"Das ist nicht mein politischer Stil"
Ob er sich freue, dass Strasser auf den Wahlplakaten der Grünen in Erscheinung tritt? Karas findet konkrete Worte und bezeichnet das Plakat als "menschenverachtend". Und: "Das ist nicht mein politischer Stil."
Natürlich sind auch die neuen Konkurrenten Thema: Für Karas stünden die Neos für eine "Freihandelszone bis Wladiwostok". Er stehe dagegen für eine "Wertegesellschaft" ein, außerdem komme Russland als Mitglied der europäischen Union nicht in Frage.
Damit geht es um das Thema Außenpolitik. Er widerspricht dem Vorwurf, in Sachen Ukraine gebe es keine gemeinsame EU-Außenpolitik. Er tritt für eine gemeinsame Außenpolitik ein. In der Ukraine sei man schneller gewesen, als bei so manch einem anderen Konflikt.
Gleichstellung
Karas geht in der Frage nach einer Gleichstellung von Homosexuellen weg von den Plänen einer gemeinsamen Strategie: Der Wertekanon sei Angelegenheit der einzelnen Mitgliedsstaaten. Familienrecht und Adoptionsrecht sollten demnach nicht europaübergreifend geregelt werden.
Auch Karas mag kein Chlorhuhn
Gegen Ende wird es dann etwas plakativ. Das Europäische Parlament sorge bei dem Abkommen für Transparenz und ohne das Parlament gebe es auch kein Abkommen. Das Parlament habe Bedingungen vorgelegt. Karas wolle auch "kein Chlorhuhn auf dem Teller haben."