Politik/Ausland

EU sät Genmais und Zwietracht

Gentechnik-Gegner gingen am Dienstag auf die Barrikaden. "Die Mehrheit der europäischen Bevölkerung ist gegen gentechnisch veränderte Organismen. Es kann nicht sein, dass einmal mehr die Interessen der Agro-Chemie-Konzerne im Vordergrund stehen", wetterte Heidemarie Porstner, Gentechnik-Sprecherin von Global 2000.

Obwohl 19 EU-Länder – darunter Österreich – nicht wollen, dass der Genmais 1507 zugelassen wird, könnte dieser demnächst auf den Feldern wachsen. In einer Abstimmung der EU-Staaten kamen am Dienstag nicht die nötige Mehrheit gegen die Anbauzulassung zustande. Die Deutschen enthielten sich der Stimme, weil sie sich innenpolitisch auf keine gemeinsame Position einigen konnten. Hätte Deutschland dagegen gestimmt, wäre die Zulassung gestoppt worden.

Schmetterlingsfrage

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Jetzt liegt die Entscheidung bei derEU-Kommission, die schon zuvor für die Zulassung war. Tonio Borg, zuständiger EU-Gesundheitskommissar, sagte, die Kommission müsse den Genmais binnen 24 Stunden zulassen, wenn der Rat nicht abstimmt. Ein Ja der Kommission würde nicht alle Staaten binden, den Genmais anzubauen.Österreichs Gesundheitsminister Stöger kündigte für den Fall der Fälle postwendend ein Anbauverbot für gen-manipulierten Mais in Österreich an.

Der umstrittene Genmais 1507 vom US-Hersteller Dupont Pioneer ist gegen bestimmte Pflanzenschutzmittel resistent und produziert ein eigenes Pflanzengift. Laut Umweltschützern gefährdet dieses Gift Schmetterlinge. Zudem sei unklar, in welchem Umfang das Gift ins Erdreich gelangt. Selbst die EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA räumt ein, dass bei einer hohen 1507-Pollen-Konzentration bestimmte Motten- und Schmetterlingsarten gefährdet sind. Dennoch hält die EFSA den Einsatz für vertretbar und liefert der Kommission damit Argumente für die Zulassung.

Derzeit wird in der EU übrigens nur der gentechnisch veränderte Mais MON 810 des Konzerns Monsanto zu kommerziellen Zwecken angepflanzt – vor allem in Spanien.

Sorten-Streit

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Auch um die geplante EU-Saatgutverordnung wird weiter gestritten. Am Dienstag kassierte diese vom Landwirtschaftsausschuss des Europaparlaments eine klare Absage. Abstimmen wird das Plenum frühestens im März. Kritiker sagen, die Verordnung sei einmal mehr auf die Bedürfnisse der marktbeherrschenden Konzerne zugeschnitten. In Supermarktregalen liegt laut Experten fast ausschließlich Industrieware. So kommen in Europa mehr als die Hälfte der Paprikasorten von den Riesenkonzernen Monsanto und Syngenta. Bei Tomaten und Karfiol liegt deren Anteil laut Studien bei 60 bzw. 70 Prozent. Hintergrund: Nur Konzerne können sich Forschungs- und Entwicklungsabteilungen leisten. Oft fließt ein knappes Drittel des Jahresumsatzes in die F&E-Abteilung. Die Zucht einer neuen Kartoffelsorte wird etwa mit einer Million Euro beziffert.

"Wir kritisieren die bürokratischen Hürden bei der Saatgutverordnung", sagt Iga Niznik, Referentin für Saatgutpolitik bei der Arche Noah. Gerade die Produzenten von seltenen Sorten würden nicht nur eine sondern aufgrund der kleineren Menge oft 50 Sorten im Sortiment haben und damit bei der Zulassung vielfach zur Kassa gebeten werden.

Lobbyisten im Auftrag mächtiger US-Agrarkonzerne scheinen offenbar ganze Arbeit geleistet zu haben. Drei Monate vor der Wahl zum EU-Parlament will die Kommission, trotz des Widerstands von 19(!) Staaten, die Zulassung einer höchst umstrittenen neuen Genmaissorte mit Gewalt durchboxen. Damit werden neuerlich die Wünsche und Sorgen der Bevölkerung in ganz Europa nicht ernst genommen. Nach dem Glühbirnen-Verbot und dem Versuch, den Anbau alter Obst- und Gemüsesorten zu unterbinden, ist dies die nächste konsumentenfeindliche Aktion aus Brüssel. Abgesehen davon ist der Genmais wieder einmal ein aufgelegter Ball für alle radikalen EU-Kritiker. Ihre Warnungen vor Hormonfleisch, Chlorhühnern und Gentechnik-Essen aus den USA im Rahmen des Freihandelsabkommens mit der EU könnten den Europa-Frust stärken.

Auch auf einer anderen Front ist am Dienstag eine Entscheidung gefallen: Der federführende Landwirtschaftsausschuss des Europaparlaments hat die umstrittene EU-Saatgutverordnung abgelehnt. Die Europaabgeordneten verwiesen den Entwurf mit 37 zu 2 Stimmen an die EU-Kommission zurück.

ÖVP-Agrarsprecherin Elisabeth Köstinger erklärte nach der Abstimmung in Brüssel, für ihre Partei gebe es an dem Gesetzesvorschlag "nichts zu reparieren". Das einzig sinnvolle sei eine gänzliche Ablehnung. "Die Kommissionspläne häufen Bürokratie und Kosten auf unsere Bauern und die österreichische Saatgutwirtschaft. Der Handel und Tausch seltener Saatgutsorten würde massiv erschwert. Der Vorschlag ist völlig unbrauchbar. Heute schicken wir die Kommission zurück an den Start", sagte Köstinger, die den Antrag auf Ablehnung gestellt hatte.

Auch die SPÖ-Europaabgeordnete Karin Kadenbach hatte sich als Verhandlerin ihrer Fraktion für eine Zurückweisung der Verordnung an den Start stark gemacht. "Der Vorschlag geht in die komplett falsche Richtung, nämlich auf Kosten der Sortenvielfalt und berücksichtigt hauptsächlich die Interessen großer Agrarkonzerne", betonte sie am Dienstag. Bereits derzeit würden in Europa nur fünf Konzerne 95 Prozent des Gemüsesaatguts kontrollieren.

Saatgut als Schlüsselfrage

Köstinger knüpfte die Saatgutverordnung an die Ernennung des nächsten zuständigen EU-Kommissars: "Wir stimmen nur dann für den neuen zuständigen Kommissar, wenn er ein praxistaugliches Saatgutgesetz im Rucksack hat", sagte die Europaabgeordnete. Das Thema Saatgut werde noch "zur Existenzfrage für die neue Kommission".

Vor zwei Wochen hatte bereits der Umweltausschuss des EU-Parlaments den Kommissionsplan mit 49:0 Stimmen zurückgewiesen. Kadenbach geht davon aus, dass nach der jetzigen Ablehnung im Agrarausschuss, das Dossier voraussichtlich im März im Plenum des EU-Parlaments zurückgewiesen wird.