EU-Gipfel: Kurz sieht "Bewegung in die richtige Richtung"
Der erste EU-Gipfel seit fast einem halben Jahr ist am Freitag äußerst schleppend angelaufen. Mehr als zwölf Stunden an Verhandlungen brachten keine greifbare Annäherung im Ringen um das billionenschwere Finanzpaket, das der Union den Weg aus der Coronakrise weisen soll. Dem Vernehmen nach brachte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte den Gipfel sogar an den Rand des Scheiterns.
Kurz nach Wiederaufnahme der Verhandlungen über das 1,8 Billionen schwere Finanzpaket gegen die Corona-Wirtschaftskrise lag dann doch wieder ein Kompromissvorschlag am Tisch.
Darin kommt Michel der Nettozahler-Gruppe der "Sparsamen Vier", der auch Österreich angehört, weiter entgegen, wie am Samstag aus Diplomatenkreisen verlautete.
Zwar liegt der "Next Generation EU" genannte schuldenfinanzierte Aufbaufonds demnach weiterhin bei 750 Milliarden Euro (in Preisen von 2018), der Anteil der nicht-rückzahlbaren Zuschüsse wurde aber von 500 Milliarden Euro auf 450 Milliarden Euro reduziert, jener der Kredite entsprechend erhöht. Die direkt für die Krisenbekämpfung vorgesehenen Zuschüsse sollen aber sogar von ursprünglich 310 auf 325 Milliarden steigen.
"Richtige Richtung"
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sieht eine "Bewegung in die richtige Richtung" beim EU-Finanzgipfel in Brüssel. Er wolle aber noch einen höheren Budgetrabatt für Österreich und einen geringeren Anteil an Zuschüssen beim 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds, sagte Kurz am Samstag. Wann eine Einigung in Sicht sei, könne er nicht sagen.
Als große Fragen, die derzeit noch verhandelt würden, nannte Kurz das Thema Rechtsstaatlichkeit, die Sicherheit, wie die Gelder verwendet würden - Kurz forderte erneut die Bereiche Ökologisierung, Digitalisierung und Reformen - und die Höhe der Zuschüsse im Recovery Fonds.
Eine Kürzung der Zuschüsse gehört zu den Forderungen Österreichs, das gemeinsam mit Schweden, den Niederlanden und Dänemark die "Sparsame Vier" genannte Nettozahler-Allianz bildet. Für Österreich sei der neue Verhandlungsvorschlag noch nicht gut genug, hieß es in Ratskreisen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) soll laut Diplomaten im Namen der Nettozahler-Allianz sprechen.
"Super-Notfallbremse"
Zudem soll es dem neuen Vorschlag zufolge eine "Super-Notfallbremse" geben, wenn es Streit über die Auszahlung und Verwendung der Zuschüsse geben sollte. Vor allem die Niederlande hatten ein Vetorecht und Reformzusagen Italiens und Spaniens gefordert. Michel schlägt nun vor, dass im Streitfall der EU-Rat oder der Rat der Finanzminister angerufen werden soll. Normalerweise kommt der EU-Kommission die Aufgabe zu, die Verwendung von EU-Mitteln zu überwachen.
Die Rückzahlung der Anleihen, die von der EU-Kommission zur Finanzierung des Ausbaufonds aufgenommen werden sollen, soll nach den Vorstellungen von EU-Ratspräsident Michel noch vor Ende der neuen Finanzperiode 2027 beginnen - allerdings nur, wenn die EU bis dahin neue Einnahmenquellen erhält. Ein früher Beginn der Rückzahlung der Schulden war besonders Deutschland wichtig.
Die Obergrenze für den siebenjährigen EU-Finanzrahmen von 2021 bis 2027 bleibt mit 1.074 Milliarden Euro in Michels neuem Vorschlag unverändert. Ein weiteres Entgegenkommen an die Nettozahler sind aber höhere EU-Beitragsrabatte als bisher vorgesehen. Für Österreich erhöht das neue Verhandlungspapier den jährlichen Budgetrabatt auf 287 Millionen Euro gegenüber dem früheren Entwurf, der 237 Millionen Euro vorsah.
Erhöhte Rabatte für Schweden und Dänemark
Für Deutschland bleibt der jährliche Rabatt unverändert bei 3,671 Milliarden Euro, auch die Niederlande würden weiterhin 1,576 Milliarden Euro erhalten. Erhöhte Rabatte gibt es für Schweden (823 Millionen Euro statt 798 Millionen Euro) und Dänemark (222 Millionen statt 197 Millionen Euro).
Die EU-Spitzen nahmen am Samstag ihre Verhandlungen über das insgesamt 1,8 Billionen schwere EU-Finanzpaket kurz nach 11.00 Uhr wieder auf. Eine Einigung gilt als schwierig zu erzielen. Der erste Tag des Gipfels in Brüssel war am Freitag nach 14-stündigen Beratungen ohne Annäherung zwischen den Mitgliedstaaten zu Ende gegangen.
Am Samstagmorgen trafen sich die EU-Spitzen in kleineren Gruppen. Bundeskanzler Kurz traf mit seinen Kollegen aus der Nettozahler-Allianz zusammen. Ratspräsident Michel beriet mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, Frankreich Staatspräsident Emmanuel Macron sowie den Staats- und Regierungschefs Italiens, Spaniens und der Niederlande noch einmal im kleinen Format.