Politik/Ausland

Erdogan wirbt vor Deutschland-Besuch für Neustart

Einen Tag vor seinem Deutschland-Besuch reicht der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan der deutschen Regierung seine Hand zur Versöhnung. "Wir wollen all die Probleme hinter uns lassen und wieder eine herzliche Atmosphäre zwischen der Türkei und Deutschland schaffen - genau so, wie es früher war", sagte Erdogan am Rande der UNO-Vollversammlung in New York in einem Reuters-Interview.

Der Präsident wird am Donnerstag in Berlin zu einer dreitägigen Visite erwartet. Am Freitagabend steht ihm zu Ehren ein Staatsbankett mit Präsident Frank-Walter Steinmeier auf dem Programm, an dem auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) teilnehmen wird. Kanzlerin Angela Merkel wird nicht zugegen sein, Erdogan aber während seines Deutschland-Besuchs treffen.

Türkische Lira im Tief

Die lange boomende Türkei steht wirtschaftlich inzwischen stark unter Druck. Die Lira verlor dieses Jahr wegen Bedenken über die zunehmende Einflussnahme Erdogans auf die Zinspolitik fast 40 Prozent ihres Wertes zum Dollar. Zudem verdoppelte US-Präsident Donald Trump aus Ärger über die Inhaftierung des evangelikalen US-Pastors Andrew Brunson in der Türkei die Importzölle auf Aluminium und Stahl.

Mit Deutschland ist die Türkei wirtschaftlich eng verflochten: Mehr als 6.500 Unternehmen mit deutscher Beteiligung sind auf dem türkischen Markt aktiv, von Siemens bis zu Hugo Boss. Sie beschäftigen zusammen etwa 120.000 Mitarbeiter. Zugleich ist Deutschland für die Türkei der wichtigste Exportkunde.

Verhältnis schwer angeschlagen

Die deutsche Regierung hat jedoch bereits klargestellt, dass sie der Türkei nicht mit Finanzhilfen bei der Überwindung ihrer Schwierigkeiten helfen wird. "Wir können ausdrücklich berichten, dass die Türkei nicht um wirtschaftliche Hilfe nachgesucht hat heute im Gespräch, noch wird sie das tun bei Gesprächen, die der Präsident und die Kanzlerin führen", sagte Finanzminister Olaf Scholz nach einem deutsch-türkischen Ministertreffen am Freitag in Berlin. Auch die EU lehnt nach den Worten von Erweiterungskommissar Johannes Hahn Wirtschaftshilfen für die Türkei ab.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei hatten in den vergangenen Jahren ein Rekordtief erreicht und erholen sich nur langsam. Streitpunkte sind unter anderem die Inhaftierung mehrerer Deutscher in der Türkei und das harte Vorgehen der Regierung in Ankara gegen Medien und Oppositionelle nach dem Putschversuch im Juli 2016.

Im Streit über die Inhaftierung des evangelikalen Pastors Brunson wies Erdogan jegliche Entscheidungsgewalt von sich. Ein Gericht und nicht die Politik werde über das Schicksal des Amerikaners entscheiden, sagte er.