Politik/Ausland

Entscheidung in Aleppo? Assads Schlüssel zum Sieg

Es war nur eine Frage der Zeit. Monatelang haben russische Bomber den Osten der Stadt Aleppos sturmreif geschossen. Jetzt ist es den Truppen von Baschar Al-Assad gelungen, einen möglicherweise vorentscheidenden Sieg davonzutragen. Im Verbund mit libanesischen und iranischen Milizen haben Assads Truppen eine Schneise durch den umkämpften Ostteil erkämpft, in den vergangenen Tagen verloren die Rebellen mehr als ein Drittel des von ihnen gehaltenen Gebiets im Osten der Großstadt.

"Das ist die schwerste Niederlage der Rebellen, seitdem sie Aleppo 2012 eingenommen haben", sagte der Leiter der in Großbritannien ansässigen Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman. Die in Großbritannien ansässige Beobachtungsstelle stützt sich auf ein breites Netzwerk von Informanten in Syrien, ihre Angaben sind von unabhängiger Seite kaum zu überprüfen.

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Regimegegnern droht Kollaps

Regierungstruppen hatten die Rebellen bereits am Wochenende immer weiter zurückgedrängt. Den Regimegegnern droht nun in der seit Monaten umkämpften Stadt ein totaler Zusammenbruch. Seit Monaten folgt in Aleppo eine Offensive auf die andere. Den Preis dafür zahlt die Zivilbevölkerung. Nach Angaben der Menschenrechtler sind rund 10.000 Menschen aus den Gebieten unter Rebellen-Kontrolle auf der Flucht. Rund 6.000 von ihnen seien in einen von Kurden beherrschten Stadtteil geflohen. Der Rest sei in Viertel gezogen, die kürzlich vom Regime eingenommen wurden. Es fehlt akut an Lebensmitteln, sauberem Trinkwasser, Strom und medizinischer Versorgung. Das internationale Rote Kreuz hatte am Freitag gewarnt, in dem eingekesselten Gebiet gingen die Nahrungsmittel zur Neige, acht von neun Krankenhäusern sind außer Betrieb.

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"Einer der größten Siege" für Assad

Für Assad wäre die Einnahme von Aleppo "einer seiner größten Siege", erklärt der Nahost-Experte Mathieu Guidere von der Universität Paris-8. Sie sei nicht nur "eine der ersten von der bewaffneten Opposition eingenommenen Städte", sondern habe auch eine "außergewöhnliche historische, politische und geopolitische Bedeutung". Die ehemalige Wirtschaftsmetropole liegt an historischen Handelsstraßen und nahe der Türkei.

Die Einnahme Aleppos "wäre ein Wendepunkt", betont Fabrice Balanche, Syrien-Experte am Washington Institute. Damit gewinne die Regierung die Kontrolle über die fünf größten Städte des Landes.

Die nordsyrische Stadt wäre zugleich der Schlüssel für die Rückeroberung der Provinz Idlib, die derzeit fast vollständig in der Gewalt von Rebellen und Jihadisten ist. "Das wird die Machtbalance in dem Konflikt ändern", betont Bassam Abu Abdallah, Leiter des Zentrums für strategische Studien in Damaskus. Er geht davon aus, dass die Regierung "das Szenario von Homs" wiederholen will. Dort hatten sich die Aufständischen 2014 nach zwei Jahren Belagerung und Bombardements ergeben.

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Zermürbungstaktik

"Sie können ein Gebiet nur zurückerobern, wenn die Bevölkerung nicht mehr die Rebellen unterstützt", sagt Balanche. Tatsächlich verließen tausende Zivilisten am vergangenen Wochenende den Ostteil Aleppos.

Mit einer Rückeroberung Aleppos wäre die syrische Regierung in einer Position der Stärke, mit der sie als Siegerin aus dem seit 2011 herrschenden Bürgerkrieg hervorgehen könnte. Die Rebellengruppen würden zurückgedrängt und fänden sich nur noch in Idlib wieder, in der südlichen Stadt Daraa sowie in der Nähe von Damaskus, wo sie bereits ihre Hochburgen Daraja und Muadamijat al-Sham verloren.

"Das wird nicht das Ende dieser Gruppen sein, aber eine Niederlage in Aleppo bedeutet, dass sie nicht mehr in der Lage sind, die Bevölkerung zu beschützen", sagt Guidere. Balanche zufolge würde eine Niederlage der Rebellen in Aleppo zeigen, dass "die Opposition nicht in der Lage ist, einen militärischen Sieg einzufahren", und sich als "Alternative" zu Damaskus darzustellen.

Für die Opposition sei Aleppo "die letzte Hoffnung, ein lebensfähiges Territorium zu schaffen". Wenn sie besiegt werde, "zerplatzt der Traum". Nach Ansicht von Abdallah zerplatzen aber auch die Hoffnungen ihrer Verbündeten in Saudi-Arabien, Katar und der Türkei.

Schlüssel für Friedensverhandlungen

Assad hätte mit einem Sieg in Aleppo auch die Schlüssel für eine mögliche Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen in der Hand. "Aus dieser Position der Stärke heraus dürfte die Neigung zu Verhandlungen aber noch geringer sein", schätzt Guidere.

Auch mit dem Amtsantritt des künftigen US-Präsidenten Donald Trump könnte sich die Gesamtlage ändern. "Es ist bekannt, dass Trump keine große Lust hat, sich in Syrien zu engagieren. Wenn auch noch Aleppo fällt, lohnt es sich kaum noch, die syrische Opposition zu unterstützen", erklärt Balanche. Trump hatte bereits in einer Wahlkampfdebatte im Oktober erklärt, seiner Ansicht nach sei "Aleppo schon gefallen".