Politik/Ausland

Einsatz beendet, NATO-Chef in Libyen

Am letzten Tag des Einsatzes ist der NATO-Chef persönlich nach Libyen gereist: NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen will sich dort mit Vertretern des Nationalen Übergangsrates treffen und dann gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Rates, Mustafa Abdul Jalil, vor die Presse treten.

Grund ist der NATO-Militäreinsatz in Libyen, der heute (Montag) offiziell zu Ende geht. Rund sieben Monate nach den ersten Luftangriffen endet das UN-Mandat zum Schutz der Zivilbevölkerung um 23:59 Uhr libyscher Zeit (22:59 Uhr MEZ). Die Streitkräfte der USA, Frankreichs und Großbritanniens hatten Mitte März mit Angriffen auf Stellungen von Truppen des damaligen libyschen Machthabers Muammar el Gaddafi begonnen. Ende März hatte die NATO offiziell das Oberkommando über den Einsatz übernommen.

Die Luftangriffe spielten eine Schlüsselrolle beim Sieg der Rebellen gegen Gaddafi, der am 20. Oktober getötet wurde. Nach eigenen Angaben flog die NATO mehr als 26.300 Lufteinsätze und bombardierte fast 6000 Ziele.

Chemiewaffen

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Die libysche Übergangsregierung hat indes bestätigt, dass es Chemiewaffen in ihrem Land gibt. Mahmoud Jibril, Chef der Übergangsregierung, sagte am Sonntag, in dieser Woche würden sich ausländische Inspektoren des Problems annehmen. Das neue Libyen habe kein Interesse daran, solche Massenvernichtungswaffen zu besitzen. In der vergangenen Woche hatte der UNO-Gesandte für Libyen, Ian Martin, die Entdeckung einer nicht gemeldeten Chemiewaffen-Anlage gemeldet.

Jibril nannte keine Details zu den von ihm bestätigten Chemiewaffen. Der UNO-Sicherheitsrat will diese Woche über eine Resolution abstimmen, die Libyen zur Vernichtung aller C-Waffen unter internationaler Kontrolle aufruft. Waffenarsenale des gestürzten Gaddafi-Regimes sind geplündert worden. Aus afrikanischen Diplomatenkreisen hieß es, radikale Islamisten seien bereits dabei, "Terrorgruppen im Jemen, in Äthiopien und anderen Ländern der Region" mit libyschen Waffen auszustatten. Martin gab jedoch Entwarnung: Die Chemiewaffen und das atomare Material des getöteten Ex-Machthabers Muammar al-Gaddafis "scheinen in Sicherheit zu sein", sagt er.

Lynchstimmung in Misrata

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Indes prangert Human Rights Watch ehemalige libysche Rebellen an, Rache an Gaddafi-Anhängern zu üben: Die US-Menschenrechtsorganisation berichtete am Sonntag unter Berufung auf Dutzende Augenzeugen im ganzen Land, bewaffnete Milizen aus Misrata würden aus der Nachbarstadt Tawargha vertriebene Einwohner "terrorisieren".

Es lägen glaubhafte Berichte vor, dass auf unbewaffnete Menschen aus Tawargha geschossen werde, zudem gebe es willkürliche Festnahmen, Gefangene würden brutal geschlagen. Die Milizen werfen den ehemaligen Einwohnern Tawarghas demnach vor, an der Seite von Gaddafis Truppen in Misrata Gräueltaten wie Vergewaltigungen und Morde verübt zu haben.

HRW zitierte einen Milizenvertreter mit den Worten, den Vertriebenen dürfe deswegen "niemals die Rückkehr" nach Tawargha erlaubt werden. Die Stadt galt als Hochburg von Gaddafi-Anhängern und diente seinen Truppen auch als Basis für Angriffe auf Rebellen in Misrata. Als die Aufständischen Mitte August ihre Offensive in Richtung Tripolis ausweiteten, wurden die meisten der rund 30.000 Einwohner vertrieben.
HRW rief die neue Regierung in Libyen nun dazu auf, die noch verbliebenen Bewaffneten in Misrata unter ein einheitliches Kommando zu stellen.

Der Aufstand gegen Gaddafi hatte Mitte Februar seinen Anfang genommen. Am 20. Oktober wurde er in seiner Geburtsstadt Sirte gefangen genommen und starb anschließend unter bisher ungeklärten Umständen.