Politik/Ausland

Ein brüchiger Tag der Einheit in Dresden

"Du bist nur mit Pegidas Gnaden im Amt", schreit ein kleiner, grauhaariger Mann Dirk Hilbert zornig entgegen. Am Samstag war der Dresdner Bürgermeister im Journalisten-Gespräch noch zuversichtlich, dass es bei der Feier zum 26. Jubiläum des Tags der Einheit zu keinen Zwischenfällen kommen wird. Am Sonntag stand er selbst im Zentrum einer Pöbelei: "Volksverräter" und "hau ab" rief ihm eine kleine Menschenmenge zu.

Der Grund war ein banaler. Hilbert hatte vor dem Festakt am Montag, zu dem Bundespräsident Gauck und Kanzlerin Merkel kommen werden, Vertreter der drei Dresdner Moscheen ins Rathaus geladen – darunter auch jenen Imam, auf dessen Gotteshaus vor einigen Tagen ein Brandanschlag verübt worden war. Die Täter sind bis jetzt nicht gefunden; vermutet wird aber ein fremdenfeindlicher Hintergrund. Hilbert betonte am Samstag abermals, er wolle sich nicht an Spekulationen beteiligen.

Was rechte Gewalt und Hetze angeht, ist man in Sachsens Hauptstadt ohnehin vorsichtig. "Natürlich blutet mir das Herz, wenn sie ,Wir sind das Volk’ rufen", sagt Herbert Wagner. Der erste Bürgermeister Dresdens nach der Wende war selbst einer derjenigen, die 1989 eben jenen Spruch riefen, als es um mehr Freiheit in der DDR ging; er riskierte seine eigene Freiheit, indem er auf die Straße ging. Dass am heutigen Montag, parallel zu Festlichkeiten Pegida mit diesem Spruch demonstrieren will, schmerzt ihn deshalb sehr. Dennoch mahnt er zur Vorsicht: "Da sind viele dabei, die sich abgehängt fühlen", sagt der 68-Jährige. Sie hätten zudem das Gefühl , als "Ossis" noch immer Bürger zweiter Klasse zu sein.

Auch Hilbert argumentiert ähnlich."Es hat eine Entfremdung zwischen der Politik und den Menschen stattgefunden", sagt er. "Wir müssen dafür sorgen, dass jene, die sich nicht vertreten fühlen, eben nicht Rattenfängern wie Lutz Bachmann hinterherlaufen."

Keine Verbote

Verbieten will und kann Hilbert die Demos nicht, auch nicht am Montag, sagt er mit Verweis auf die Versammlungsfreiheit. Während auf dem einen Elbufer Bürger und Polit-Prominenz das Zusammenwachsen des Westens und des Ostens feiern werden, erwartet man auf der anderen Seite des Flusses gut 3000 Leute. Das sind zwar deutlich weniger als in der Hochphase mit 25.000, aber genug, um die 2600 Polizisten in Alarmbereitschaft zu versetzen – denn auch linke Gegendemos finden parallel dazu statt. Auch hier hat man Angst vor Eskalationen, schließlich brannten am Sonntag bereits zwei Polizeiautos.

Kanzlerin Merkel, die am Montag zu einem Gottesdienst in der wieder aufgebauten Frauenkirche eintreffen wird, erwartet jedenfalls ein brüchiger Tag der Einheit. Sie hat deshalb schon zuvor für Versöhnung geworben: "Alle sind das Volk", sagte sie den Pegida-Gängern .