Politik/Ausland

Venezuela: Weitere Proteste angekündigt

Blutiger Machtkampf im Land mit den größten Ölreserven der Welt: Bei Demonstrationen gegen eine drohende Diktatur und die verheerende Wirtschaftslage sind in Venezuela am Mittwoch mindestens drei Menschen getötet worden.

Ein 17-jähriger Wirtschafts-Student wurde in der Hauptstadt Caracas von einem Schuss in den Kopf getroffen und starb im Krankenhaus. In San Cristobal kam eine 23-jährige Frau ebenfalls durch einen Kopfschuss ums Leben. Darüber hinaus starb ein Mitglied der Nationalgarde, wie die Zeitung El Nacional berichtete. Die Regierung machte Demonstranten der Opposition für diese Tötung verantwortlich. Diese kündigte weitere Proteste für diesen Donnerstag an.

Neun Tote seit Beginn

Seit Ausbruch der Proteste starben neun Menschen. Zudem kam es allein am Mittwoch zu über 400 Festnahmen. Der linke Präsident Nicolas Maduro hatte als Antwort auf die Proteste angekündigt, dass die 500.000 Mitglieder der Nationalen Miliz mit Gewehren ausgerüstet werden. Die Reservistentruppe war nach dem Putschversuch 2002 gegen den damaligen Staatschef Hugo Chavez aufgestellt worden. Das Militär wurde in Alarmbereitschaft versetzt.

"Wenn heute Millionen auf die Straßen gegangen sind, müssen morgen noch mehr rausgehen", kündigte Oppositionsführer Henrique Capriles für diesen Donnerstag weitere Massenkundgebungen an. Laut einer Einschätzung des der Opposition nahestehenden Umfrageinstituts Meganalisis sollen am Mittwoch in Venezuela bis zu sechs Millionen Menschen demonstriert haben. Offizielle Zahlen wurden hierzu nicht veröffentlicht. Die Opposition machte gewaltbereite Milizen der regierenden Sozialisten für die Angriffe verantwortlich, die auf Motorrädern immer wieder Angst und Schrecken unter den Demonstranten verbreiten.

Seit 1999 wird das Land von den Sozialisten regiert und ist trotz der großen Ölvorkommen in seine bisher schlimmste Versorgungskrise geschlittert. Die Inflation beträgt mehr als 700 Prozent und ist die höchste der Welt. Die Polizei setzte in Caracas massiv Tränengas ein, um Demonstranten auseinanderzutreiben, während Zehntausende Anhänger von Maduro in roten Hemden im Zentrum der Stadt unbehelligt den vierten Jahrestag seiner Präsidentschaft feierten.

Opposition fordert Neuwahlen

Die Opposition fordert Neuwahlen und macht Präsident Maduro für die schwere politische und ökonomische Krise verantwortlich. Auslöser der seit Anfang April andauernden Proteste war die zeitweise Entmachtung des Parlaments durch ein Urteil des Obersten Gerichtshofs. Maduro warf der Opposition den Einsatz von Gewalt vor und sprach von einer "Konspiration". Er beschuldigt die Opposition, zusammen mit dem Ausland eine Intervention zum Sturz der Regierung vorzubereiten.

US-Außenminister Rex Tillerson warnte vor einer Eskalation: "Wir sind besorgt, dass die Regierung Maduro die eigene Verfassung verletzt und der Opposition nicht erlaubt, dass ihre Stimmen gehört werden."

Über der Route der Demonstranten lagen in Caracas Tränengaswolken. Maduro, Nachfolger des 2013 gestorbenen Chavez, war am Mittwoch exakt vier Jahre im Amt. Wegen der Krise und der zunehmenden Gewalt haben zuletzt tausende Menschen das Land verlassen und flüchteten vor allem in das Nachbarland Brasilien. Im Parlament hat das Oppositionsbündnis Mesa de la Unidad DemocrAtica aus konservativen, liberalen, sozialdemokratischen und indigenen Parteien eine deutliche Mehrheit, ist aber de facto politisch wirkungslos. Der von den regierenden Sozialisten dominierte Oberste Gerichtshof hob immer wieder Entscheidungen auf - und Maduro versucht, mit Dekreten am Parlament vorbeizuregieren.

Das Land steht nach 18 Jahren sozialistischer Regierung vor dem Bankrott und muss fast monatlich mehrere Milliarden Euro an Auslandskrediten bedienen. Deshalb und wegen der hohen Inflation können kaum noch Lebensmittel und Medikamente importiert werden, die in Euro oder Dollar zu bezahlen sind. Der Internationale Währungsfonds rechnet damit, dass die Wirtschaftsleistung 2017 um 7,4 Prozent schrumpft. Gewalt und Repression haben stark zugenommen.